Ernst Fehr: "Politik ist konstant zu evaluieren"

 Verhaltensökonomen Ernst Fehr
Verhaltensökonomen Ernst Fehr (c) Teichmann / laif / picturedesk.c (Teichmann)
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Laut dem Gesamtsieger im "Presse"-Ökonomenranking nutzt die Politik den „Werkzeugkasten“ der Mikroökonomie noch viel zu wenig.

Ernst Fehr ist vor allem innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde ein Begriff. Während die Medienzitate noch gering ausfallen und auch in der Politik viele den Namen des aus Vorarlberg stammenden und an der Universität Zürich forschenden Pioniers der Verhaltensökonomie noch nicht kennen, gilt er unter Wissenschaftlerkollegen als Koryphäe auf seinem Gebiet. Dies zeigt auch die schiere Zahl seiner Zitierungen in wissenschaftlichen Arbeiten: 13.039 Mal wurde Fehr im für das Ranking relevanten Untersuchungszeitraum 2012 bis 2016 von Kollegen in deren Papieren zitiert. Er lässt damit auch den bisherigen Spitzenreiter in dieser Disziplin, den Vorjahressieger Friedrich Schneider von der Uni Linz, der auf 1498 Zitierungen kommt, weit hinter sich.

Doch zeigt nicht gerade diese Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Bedeutung und (noch) geringem Widerhall in Medien und Politik eigentlich ein mangelndes allgemeines Verständnis für die Bedeutung der Mikroökonomie? „Die Politik könnte viel von den Erkenntnissen profitieren, die in der angewandten Mikroökonomie erzielt werden. Vor allem eine Politikevaluation mit diesen Methoden wäre wichtig, also ob eine Maßnahme wirkt oder nicht“, sagt Fehr.



Was das konkret bedeuten würde, erklärt er anhand eines Projekts, das die Uni Zürich unter seiner Leitung zusammen mit der UNO-Hilfsorganisation Unicef durchgeführt hat. So würden die Regierungen, die für Unicef Geld spenden, immer gern wissen, was für Wirkung diese Mittel entfalten. Etwa wenn es darum geht, geschlechterspezifische Abtreibungen oder Mädchenbeschneidungen zu verhindern. Daher wurden von den Verhaltensökonomen zusammen mit Fachexperten Methoden überlegt, wie man die gewünschten Ziele erreichen kann. Also beispielsweise Familien finanzielle Subventionen für die Bildung von Mädchen zukommen zu lassen, unter der Voraussetzung, dass diese nicht beschnitten werden. Wie bei einem Medikamententest wurde diese Maßnahme bei einer sogenannten Treatment-Gruppe ausprobiert und dann mit einer Kontrollgruppe verglichen. So konnte dann festgestellt werden, ob die erwünschte Wirkung wirklich erreicht wird.

„Mit solchen Methoden könnte man auch überprüfen, ob bestimmte Bildungsmaßnahmen für Arbeitslose die Arbeitslosen auch wirklich stärker in die Beschäftigung zurückbringen“, sagt Fehr. Internationale Studien würden nämlich zeigen, dass bei Männern ab einem gewissen Alter Schulungsmaßnahmen nur noch sehr wenig für den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt bringen. Diesen Menschen wäre dann wohl besser damit geholfen, das dafür notwendige Geld anders einzusetzen. „Die laufende Evaluation der einzelnen Maßnahmen würde der Politik einen ständigen Lernprozess ermöglichen“, so Fehr. In der Praxis werde dies bisher allerdings durch den politischen Wettbewerb weitgehend verhindert.

Fairness spielt große Rolle

Hintergrund dieser Forderung des Verhaltensökonomen ist die Erkenntnis der Mikroökonomie, dass es den reinen Homo oeconomicus nicht gibt. Wie durch verschiedenste Experimente herausgefunden wurde, entscheiden Menschen nicht immer rational und stellen auch den Eigennutz nicht immer in den Vordergrund. Vielmehr spielen auch andere Beweggründe, etwa der Wunsch nach Fairness, eine große Rolle.

Bestes Beispiel dafür ist das sogenannte Ultimatumspiel. Hierbei erhält ein Proband eine gewisse Summe. Er kann dann entscheiden, wie viel er davon an einen anderen Probanden abgibt. Nimmt dieser das Angebot an, erhalten beide das Geld. Lehnt er ab, erhält niemand etwas.

Ökonomisch wäre es für den zweiten Probanden sinnvoll, jedes Angebot anzunehmen, da auch ein geringer Geldbetrag besser als nichts ist. In der Praxis hat sich aber herausgestellt, dass die Menschen das Angebot ablehnen, wenn der Anteil am insgesamt verteilten Betrag zu gering ist. Das erkläre, warum Wirtschaft in der Realität oft nicht so funktioniere wie im Lehrbuch, so Fehr, der vor 25 Jahren als einer der ersten auf dem Gebiet der Verhaltensökonomie mit der Forschung begonnen hat.

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