Vorstoß für Pensionsalter über 65

Themenbild: Während bei den Pensionen in der Koalition nichts weitergeht, werden Experten nicht müde zu warnen.
Themenbild: Während bei den Pensionen in der Koalition nichts weitergeht, werden Experten nicht müde zu warnen. Reuters
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Experten treten für die Erhöhung mit steigender Lebenserwartung ein. Angepeilt wird auch ein betrieblicher Generationenvertrag samt Anspruch auf Gesundheitscheck ab 40/45.

Wien. Jetzt reißt Vizekanzler Reinhold Mitterlehner langsam die Geduld mit Sozialminister Alois Stöger. Der ÖVP-Chef knöpfte sich den SPÖ-Ressortchef zuletzt beim Bundestag des schwarzen Seniorenbundes in Linz vor, weil dieser bisher keine Gesetzesentwürfe zu den am 29. Februar von der Regierung paktierten Änderungen – wie Teilzeitkrankenstand/Teilpension und höhere Ausgleichszulagen nach 30-jähriger Erwerbstätigkeit vorgelegt hat. Er würde Stöger empfehlen, diese Pensionsreform umzusetzen, „das hilft uns“.

Während bei den Pensionen in der Koalition nichts weitergeht, werden Experten nicht müde zu warnen. Sie drängen darauf, endlich Änderungen in die Wege zu leiten, damit die Österreicher länger berufstätig bleiben und noch im Arbeitsleben besser vorzusorgen. Das würde Frühpensionen wegen Invalidität besser verhindern. Die Denkwerkstatt St. Lambrecht in der Steiermark, wo jährlich im Frühjahr unter der wissenschaftlichen Leitung des Arbeits- und Sozialrechtlers Wolfgang Mazal beraten wird, hat jetzt den aktuellen Tagungsband vorgelegt.

Zwar wurde schon im Mai betont, es gebe keine Patentrezepte. Es finden sich aber brisante und ungewöhnliche Expertenvorschläge. Am meisten Staub aufwirbeln dürfte die Forderung, das gesetzliche Pensionsalter von derzeit 65 Jahren für Männer und 60 Jahren für Frauen (ASVG, Gewerbe, Frauen) zu erhöhen. Die Anhebung soll sich an der steigenden Lebenserwartung orientieren und würde damit stetig steigen. Dagegen sperrt sich allerdings die SPÖ in der Regierung mit Vehemenz.

Etikettenschwindel

Besonders bemerkenswert ist, dass der ehemalige Leiter der Pensionssektion im Sozialministerium, Walter Pöltner, voll hinter den Ergebnissen der Arbeitsgruppe 50plus steht. Er räumt zwar ein, inzwischen sei das faktische Pensionsantrittsalter erhöht worden. Nach den jüngsten Daten des Sozialressorts lag es heuer im Juni im Durchschnitt bei 60,3 Jahren. Allerdings spricht Pöltner von einem Etikettenschwindel. Denn dies sei erst mittels Transferleistungen erreicht worden: etwa für Rehageld, damit Personen vor dem Alter von 50 Jahren umgeschult werden oder für gesundheitliche Rehabilitationsmaßnahmen, damit diese Personengruppe nicht vorzeitig in Invaliditätspension geht, sondern länger arbeitet.

(c) Die Presse

Ähnlich wie andere Fachleute warnt die Denkwerkstatt St. Lambrecht, weil sich in Österreich die Zeit des Pensionsbezugs deutlich verlängert hat. So beziehen Frauen, wie vor Kurzem berichtet, aufgrund der steigenden Lebenserwartung ihre Pension im Durchschnitt fast 25 Jahre. Um längeres Arbeiten attraktiver zu machen, müssten unter anderem die geltenden Zuverdienstgrenzen für Frühpensionisten in der gesetzlichen Pensionsversicherung (Beamte sind ausgenommen) bei Alterspensionen schon ab 62 Jahren abgeschafft werden. In der Regierung ist genau bei den Zuverdienstregelungen noch ungeklärt, wie die Lösung bei Zuerwerb im Ruhestand ausschauen wird. Gleichzeitig sollten die Steigerungsprozente bei der Pensionsbemessung von bisher 1,78 auf zwei Prozent (ein Multiplikator für die Pension) ab 62 erhöht werden.

Neues Präventionsgesetz

Die Vorschläge der Denkwerkstatt St. Lambrecht richten sich aber nicht nur direkt auf die Pension. Es wird speziell auch im Arbeitsleben der Hebel angesetzt – mit dem Ziel, dass Menschen länger gesund im Beruf bleiben. Deshalb wird eine neue gesetzliche Regelung über einen betrieblichen Generationenvertrag vorgeschlagen, der Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer wie Dienstgeber enthält. Im Mittelpunkt stehen präventive und gesundheitsfördernde Maßnahmen, die in einem eigenen Präventionsgesetz verankert werden. Für Unternehmen gibt es etwa einen Bonus auch in Form einer Lohnsubvention im Fall der Einhaltung bestimmter Punkte oder durch Förderung von Teilzeitarbeit für Ältere.

Zentraler Punkt ist ein ebenfalls gesetzlich festgeschriebener Rechtsanspruch für Beschäftigte, für sich einmal im Leben – etwa zwischen 40 und 45 Jahren – eine Gesundheits- und Leistungsbilanz erstellen zu lassen. Darauf aufbauend müsste das Arbeitsmarktservice (AMS) mit dem betroffenen Arbeitnehmer eine Kompetenzbilanz erstellen, welche beruflichen Perspektiven es aufgrund von Ausbildung und gesundheitlichem Zustand gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2016)

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