Wirtschaftskammer-Chef Leitl will flexiblere Arbeitszeiten. Das wünschen sich auch die Arbeitnehmer.
Dass Herbst ist, merkt man nicht nur an Laub, Kastanien und fallenden Temperaturen. Sondern auch an den zunehmenden Wortspenden verschiedener Funktionäre zu Löhnen, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitszeit. Dann steht die Herbstlohnrunde vor der Tür. Den Anfang machen die Metaller. Am Montag übergibt die Gewerkschaft den Arbeitgebern ihre Forderungen. Und das alljährliche Schauspiel beginnt.
Vorab stecken die Beteiligten schon einmal ihre Positionen ab. Am gestrigen Dienstag meldete sich Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl. Und deklarierte sich als überzeugter Sozialpartner. Die Gewerkschaft hat vorige Woche eine „ordentliche Erhöhung der Löhne und Gehälter“ gefordert. Leitl zeigt Verständnis: „Es wäre eine schlechte Gewerkschaft, würde sie sagen, dass sie sich auch mit einer moderaten Lohnerhöhung zufriedengibt.“ Die Sozialpartnerschaft sei immer noch eine Errungenschaft, für die Österreich bewundert werde.
So weit, so harmonisch. Wenig erfreut dürfte die Arbeitnehmerseite über das sein, was Leitl sonst zu sagen hatte. Der Wirtschaftskammer-Boss hielt nämlich ein Plädoyer für eine umfassende Arbeitszeitflexibilisierung. Die Zeiten änderten sich, daher müssten sich auch die Arbeitszeiten ändern. „Alles, was wir dazu im Kopf haben, können wir vergessen.“
Als Vorbilder für Österreich nannte Leitl Schweden und Finnland: Dort gebe es im Gesetz keine Begrenzung der Höchstarbeitszeit. Nur die Erholungszeiten zwischen zwei Arbeitstagen seien festgeschrieben. „Das heißt, nicht mehr arbeiten für weniger Geld, sondern eine bessere Verteilung der Normalarbeitszeit, mit Vorteilen für alle Beteiligten.“ Auch die Arbeitnehmer wünschten sich mehr Zeitsouveränität und machten gern Überstunden, wenn sie dafür ein langes Wochenende bekämen.
Für Rückendeckung aus Wissenschaft und Praxis hat Leitl gesorgt. Es gebe längst einen Handschlag zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern, weil die Interessen die gleichen seien, sagte Michael Bartz, der an der Fachhochschule Krems zum Thema neue Arbeitswelt forscht. „Beide Seiten brauchen neue Flexibilität.“ „Der Druck kommt von unten, die Mitarbeiter fordern das“, sagt auch der Unternehmensberater Thomas Schmutzer. Es gebe Fälle, in denen Beschäftigte ihren Arbeitstag offiziell beenden und dann wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren, „weil sie wissen, das Projekt wird sonst nicht fertig“. Diese Dinge müsse man „auf Betriebsebene bringen, anders ist das schwer umsetzbar“.
Wenn das die Gewerkschaft hört. Auch die Arbeitnehmervertreter wissen natürlich längst, dass es ohne Flexibilisierung nicht geht. Und sind durchaus offen: Sonst hätte man sich nicht mit den Metallunternehmern auf das moderne Flexibilisierungsmodell geeinigt, das im Juni präsentiert wurde. In Gesprächen, die „sehr getragen“ waren von der betrieblichen Realität, wie Metaller-Chefverhandler Rainer Wimmer sagte.
Was die Gewerkschaften aber gar nicht wollen: Dass Vereinbarungen über flexible Arbeitszeitmodelle nur noch auf Ebene der Betriebe getroffen – und damit ihrem Einflussbereich entzogen werden. Das weiß, als erfahrener Sozialpartner, auch Christoph Leitl. Trotzdem will auch er gewisse Regelungen auf Betriebsebene bringen. Etwa die über ein lebenslanges Zeitkonto, das man auch mit dem Pensionskonto kombinieren könne. Er ist eben nicht nur Sozialpartner. Sondern auch Unternehmer.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2016)