Österreich und die „guten“ Migranten

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Themenbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Österreich tut sich immer noch schwer, gut qualifizierte Ausländer ins Land zu holen. Das liegt auch an der Bürokratie.

Wien. Gerhard Mansbart hat reichlich Erfahrungen mit der österreichischen Bürokratie gemacht – und es waren nicht nur gute. Seine Firma Arx Anima produziert 3-D-Animationen und hat vor einiger Zeit einen Auftrag für einen 52 Episoden dauernden Animationsfilm an Land gezogen. „Dass so ein Auftrag nach Österreich gekommen ist, ist etwas Besonderes. Da gibt es weltweite Konkurrenz“, sagt er. Dafür braucht es Spezialisten mit Erfahrung. „Die gibt es in Österreich und auch in der EU kaum.“ Der ideale Kandidat kam aus Indien.
Es folgte der Lauf durch die Instanzen: Botschaft, Einwanderungsbehörde, AMS. Jede Stelle braucht mehrere Wochen für die Bearbeitung. Am Schluss dauerte es sechseinhalb Monate, bis Mansbart den – negativen – Bescheid hatte. „Es ist unmöglich, einen potenziellen Mitarbeiter so lang warten zu lassen.“ In London bekam der Inder binnen drei Wochen eine Arbeitsgenehmigung. Für Mansbart war er verloren.
Mansbart ist damit nicht allein: Viele Unternehmer beklagen, dass es schwer sei, gut ausgebildete Mitarbeiter aus Drittstaaten anzuwerben. Was sind die größten Probleme mit der Rot-Weiß-Rot-Karte – und was müsste sich ändern?

1. Die Rot-Weiß-Rot-Karte war ein Hoffnungsprojekt, bleibt aber seit Jahren hinter den Erwartungen.

Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist das österreichische System zur Anwerbung von qualifizierten Arbeitskräften aus Drittstaaten. Bei ihrer Einführung im Juli 2011 rechnete man mit 8000 Bewilligungen im Jahr. Die Realität hinkt dem nach: Im Vorjahr wurden 1817 solcher Karten ausgestellt. Dazu kamen 159 Blaue Karten EU, das ist das EU-System für Arbeitsmigration. Von Mitte 2011 bis Mitte 2015 wurden lediglich 7572 Rot-Weiß-Rot-Karten vergeben. „Die Zahlen haben sich moderat gesteigert, aber das Potenzial ist bei Weitem nicht ausgeschöpft“, sagt Margit Kreuzhuber, Expertin für Arbeitsmigration in der Wirtschaftskammer.

2. Die Verfahren für die Beantragung dauern zu lang – auch, weil viele Behörden involviert sind.

Laut Gesetz soll die Rot-Weiß-Rot-Karte, sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind, innerhalb von acht Wochen ausgestellt werden. Tatsächlich dauert es im Schnitt zehn bis 15 Wochen. Oder gar mehr als ein halbes Jahr – wie im Fall des Unternehmers Gerhard Mansbart. Das ist weit länger, als es beispielsweise in Belgien, Frankreich oder Norwegen dauert, bis man ein Pendant zur Rot-Weiß-Rot-Karte erhält. Der Umfang der zu beschaffenden Dokumente ist groß, wie auch die Zahl der unterschiedlichen Behörden, die für die Verfahren zuständig sind. Unternehmen brauchen Fachkräfte aber meist binnen weniger Wochen.

3. Der Teufel steckt oft im Detail. Das gilt auch für die Rot-Weiß-Rot-Karte.

Oft scheitert es an vermeintlichen Kleinigkeiten – wie einem Mietvertrag. Anwärter auf die Rot-Weiß-Rot-Karte müssen einen Anspruch auf eine Unterkunft vorweisen können, also eine Firmenwohnung oder einen Mietvertrag von zwölf Monaten, sagt Ewald Oberhammer, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Fremdenrecht. „Das ist ein administratives Problem.“ Auch die Altersgrenze sei eine Schwierigkeit, sagt Kreuzhuber von der WKO. Selbst wenn eine Fachkraft alle Voraussetzung erfüllt und die Stelle nicht mit einem Inländer besetzt werden kann: „Wenn sie über 40 Jahre alt ist, hat sie keine Chance auf einen positiven Bescheid.“

4. Die Zugangshürden für Jungakademiker zum österreichischen Arbeitsmarkt sind hoch.

Österreich ist bei ausländischen Studenten beliebt. Nach dem Studium wird es für Jungakademiker aus Drittstaaten aber schwierig: Wer nicht binnen sechs Monaten eine Stelle gefunden und das Verfahren zur Erteilung der Rot-Weiß-Rot–Karte abgeschlossen hat, darf nicht bleiben. In Deutschland beträgt die Suchzeit 18 Monate. Wer in Österreich bleiben will, muss zumindest 2187 Euro brutto im Monat verdienen. Und Bachelorabsolventen aus Drittländern haben keinen Anspruch auf die Karte. Vorstöße zur Senkung der Zugangshürden seitens der Arbeitgebervertreter und der ÖVP gab es immer wieder. Bisher aber ohne Ergebnis.

5. Die EU-Kommission will die Blaue Karte reformieren. Das könnte den Staaten Spielraum nehmen.

Der Fachkräftemangel ist ein EU-weites Problem. Deshalb soll nun die Blue Card reformiert werden. Sie ist das EU-Pendant zur Rot-Weiß-Rot-Karte, wenn auch viel restriktiver: Das Mindestgehalt für einen Ausländer, der in der EU arbeiten will, beträgt derzeit 4174 Euro, bei der Rot-Weiß-Rot-Karte sind es 2430 bzw. 2916 Euro (für über 30-Jährige). Der Entwurf für die Reform sei grundsätzlich gut, sagt Kreuzhuber. Der große Knackpunkt: „Derzeit ist vorgesehen, dass es abseits der Blue Card keine nationalen Regelungen mehr geben soll.“ Das würde den Nationalstaaten viel Handlungsspielraum bei der Arbeitsmigration nehmen.

Auf einen Blick

Die Rot-Weiß-Rot-Karte wurde im Juli 2011 eingeführt. Mit ihr sollen heimische Unternehmer schneller qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten bekommen. Doch fünf Jahre nach Einführung ist die Bilanz ernüchternd. Unternehmer kritisieren das langwierige Verfahren. Bisher wurden 7572 Rot-Weiß-Rot-Karten vergeben. Das ist weniger als erwartet.

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