Obwohl die Einkommensschere am Arbeitsmarkt in Österreich immer weiter aufgeht, wird das verfügbare Einkommen der Haushalte immer gleicher. Grund: massive staatliche Umverteilungen durch Sozialleistungen.
Die Verteilung der Primär- oder Markteinkommen wurde in den vergangenen 15 Jahren ungleicher. Das bedeutet, dass die Einkommen der Großverdiener stärker stiegen als jene der Wenigverdiener. Diese Einkommensschere ging also auf. Diese Entwicklung wurde aber durch verstärkte sozialstaatliche Aktivität mehr als ausgeglichen. Die sogenannte Sekundärverteilung, also das Einkommen der Haushalte unter Berücksichtigung aller Steuern, Abgaben und Sozialleistungen) wurde aber gleicher. Das bedeutet, dass unterm Strich die österreichischen Haushalte beim Einkommen gleicher wurden. Das sind die Hauptergebnisse einer umfassenden Analyse der Umverteilungswirkungen der Aktivitäten des Staates, die das WIFO erstellt hat.
Staat lässt Gini schrumpfen
Deutlich wird die Wirkung der staatlichen Umverteilung am Gini-Koeffizienten. Er beträgt für Österreich rein beim Markteinkommen 0,335. Durch staatliche Umverteilung sinkt er auf 0,185.
Gini-Koeffizient
Der Gini-Koeffizient ist das Verhältnis der in der Graphik rot dargestellten Fläche und dem Dreieck unter der Diagonale. Angenommen, die Lorenz-Kurve ist eine Gerade, also alle Menschen verdienen genau gleich viel, so ist der Gini-Koefizient genau Null. Je ungleicher das Einkommen verteilt ist, desto größer ist Gini - er kann theoretisch maximal 0,99* annehmen. Das wäre dann, wenn ein einiziger Mensch das gesamte Einkommen eines Landes hat und alle anderen gar kein Einkommen haben.
Steuern nützen der Umverteilung nicht
Die Steuern und Abgaben wirken in Österreich kaum umverteilend: Die progressive Wirkung der Einkommensbesteuerung wird durch die regressive Wirkung der Sozialabgaben und der indirekten Steuern auf Güter und Dienstleistungen weitgehend ausgeglichen. Das bedeutet, dass man zwar relativ mehr Steuern zahlt, wenn man mehr verdient - allerdings sinkt der Anteil der Sozialabgaben durch den Höchstbemessungsbetrag wieder.
Bezieht man die Steuerleistung auf das Gesamteinkommen (Markteinkommen plus Geld vom Staat), so ergibt sich daraus für das Jahr 2005 eine durchschnittliche Abgabenquote von 37,6 Prozent. Wobei die niedrigsten Einkommen 37,3 Prozent abführen, war im dritten von zwölf Einkommensklassen am niedrigsten mit 33,2 Prozent und erreichte im bei den größten Einkommen 40 Prozent. Auf Basis der Gesamteinkommen ergibt sich damit eine leicht progressive Umverteilungswirkung des Abgabensystems.
Berücksichtigt man neben dem Einkommen auch die Haushaltsgröße, so entfielen im Jahr 2005 auf das untere Drittel der Nicht-Selbständigenhaushalte 43,5 Prozent aller öffentlichen monetären und realen Transfers, auf das mittlere 31,5 Prozent und auf das obere 25 Prozent. In Relation zum Primäreinkommen, in dem die Pensionen enthalten sind, betrugen die öffentlichen Leistungen im unteren Drittel 84%, im mittleren Drittel 29 Prozent und im oberen zwölf Prozent. Im Durchschnitt kamen 2005 die hier analysierten Staatsausgaben auf 27 Prozent der Primäreinkommen.
Vier von zehn zahlen keine Einkommenssteuer
Obwohl in den vergangenen Jahrzehnten im Rahmen der Einkommensteuerreformen die Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen spürbar entlastet wurden, wurde die Abgabenbelastung vor allem durch die zunehmende Last der indirekten Steuern in den unteren Einkommensschichten insgesamt größer. Da bereits über 40 Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher keine Einkommensteuer zahlen, wird zur Entlastung niedriger Einkommen und zur Stärkung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eine Reform der Finanzierung des Sozialstaates erforderlich sein. Es wird aber auch deutlich, dass eine undifferenzierte Erhöhung der Mehrwertsteuer Haushalte mit niedrigem Einkommen überproportional belastet.
(ebl)