Keine Supervision für die Wirtschaftskammer

(c) Teresa Zötl
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Die Kammer will alle Supervisoren unter ihr Dach bringen und droht mit Klagen. Die Betroffenen wehren sich.

Die Stimmung ist aufgeheizt – wer mit den Protagonisten dieses Kleinkrieges spricht, merkt das sofort. Da fallen Worte wie „Lügen“ und „arrogant“. Besonders die Wirtschaftskammer ist hörbar genervt. Und zwar von der ÖVS, der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching. Grund ist ein Streit, der sich schon seit Jahren hinzieht. Aber vor dem Hintergrund der geplanten Reform der Gewerbeordnung neue Aktualität gewinnt.

Die ÖVS sieht Supervision als einen „freien Beruf“. Angehörige der freien Berufe sind nicht von der Gewerbeordnung erfasst. Sie brauchen keinen Gewerbeschein, stehen also nicht im Einflussbereich der Wirtschaftskammer. Die Kammer sieht das anders. Ihrer Auffassung nach gehören die Supervisoren zu den „Lebens- und Sozialberatern“. Diese sind in der Fachgruppe Personenberatung und -betreuung angesiedelt. Nach Ansicht der Kammer müssten daher alle, die in Österreich als Supervisoren und Coaches arbeiten, einen Gewerbeschein lösen – also auch Kammerumlage bezahlen. Und als Voraussetzung dafür eine Zusatzausbildung absolvieren, die ihnen den Berufstitel Lebens- und Sozialberater verleiht.

Im Februar erhielten deshalb mehrere Mitglieder der ÖVS Post von der Wirtschaftskammer Wien. „Aus Mitgliederkreisen wurden wir darüber informiert, dass Sie Supervision anbieten, ohne über die dafür notwendige Berechtigung zu verfügen“, heißt es in dem Schreiben. Begleitet von der Aufforderung, diese Tätigkeit umgehend einzustellen. Man behalte sich weitere rechtliche Schritte ausdrücklich vor.

Solche Briefe kamen in der Vergangenheit immer wieder, sagt ÖVS-Geschäftsführer Wolfgang Knopf. Dabei gebe es für die angedrohten Klagen keine Grundlage. Laut einem Schreiben des Wirtschaftsministeriums aus dem Jahr 1997 sei ein Gewerbeschein nicht erforderlich, da die Tätigkeit auch freiberuflich erfolgen könne. Zudem seien die Ausbildungsstandards der ÖVS lange Zeit wesentlich höher gewesen als die der Lebens- und Sozialberater. Die hätten sich zwar in den vergangenen Jahren professionalisiert, seien aber früher ein „Wald- und Wiesenbereich“ gewesen. Knopfs Vorwurf an die Kammer: Ihr gehe es hauptsächlich darum, Mitglieder zu akquirieren, nicht um Qualität für die Kunden. „Wir haben keine Schwierigkeiten mit der Wirtschaftskammer, wenn sie uns arbeiten lässt.“

Harald Janisch, zuständiger Obmann in der Wiener Kammer, formuliert das ähnlich. „Wir haben kein Interesse, ständig Probleme zu haben. Wir wollen nur fair behandelt werden.“ Laut Janisch geht es um 40 Personen in Wien, die ohne entsprechende Ausbildung Coachings und Supervision anbieten. Diese seien „eigentlich als Pfuscher auf dem Markt unterwegs“, die den Menschen Halbwahrheiten verkauften. Er besteht darauf, dass Supervisoren eine staatliche Ausbildung plus Gewerbeschein brauchen. Das sei im Gesetz klar geregelt.

Aussage gegen Aussage also. Aber welche stimmt? Gut möglich, dass diese Frage bald die Gerichte beschäftigt.

E-Mails an:jeannine.binder@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2016)

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