Schelling einmal anders, nämlich zurückhaltend

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Zu wenig Aufsehen macht das Finanzministerium wegen der - erfreulichen - Ergebnisse der Bilanzpolizei-Studie.

Es hat ganz den Anschein, als wolle des Finanzministerium eines dringend vermeiden: dem Thema Enforcement, vulgo Bilanzpolizei, allzu große Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei täte doch dem österreichischen Kapitalmarkt etwas mehr Beachtung gut. Doch der Reihe nach: Anfang des Jahres hatte Finanzminister Hans Jörg Schelling den deutschen Universitätsprofessor Bernhard Pellens beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Darin sollte der Wissenschaftler einerseits das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz (es bildet die rechtliche Grundlage für das Enforcement-Verfahren) evaluieren und andererseits potenzielle Verbesserungsvorschläge unterbreiten.

Ein interessanter, ja sogar prekärer Auftrag, wenn man bedenkt, mit welchen Schwierigkeiten die Bilanzpolizei in Österreich in die Gänge gekommen ist. Erst 2014 – als letztes Land der EU – konnten sich Österreichs Politiker darauf verständigen, Jahresabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen näher unter die Lupe zu nehmen.

Nur von wem, war die Frage, an der sich die Geister der Koalitionsparteien schieden. Während die SPÖ die Bilanzpolizei ausschließlich bei der FMA angesiedelt wissen wollte, setzte sich die ÖVP für ein zweistufiges Modell ein. Einem privaten Verein, der Prüfstelle für Rechnungslegung, sollte primär die Kontrolltätigkeit überlassen werden und die FMA nur in wenigen im Gesetz bestimmten Fällen zum Zug kommen.

Die letztgenannte Variante setzte sich mehr oder weniger durch. In der Praxis kam es jedoch zwischen der FMA und der Prüfstelle zu groben Kompetenzkonflikten, die beide bis vor das Bundesverwaltungsgericht führten. Leidtragende des Machtkampfs könnten womöglich die börsenotierten Unternehmen sein, so die Befürchtungen aller Beteiligten, die auch vor dem Finanzministerium nicht haltmachten. Schließlich einigten sich die Prüfstelle und die FMA, seitdem ist von Streitigkeiten nicht mehr viel zu bemerken. Und das spiegelt auch die Studie von Pellens wider, die gestern allerdings nur jene finden konnten, die sich zufällig auf die Homepage des Finanzministeriums verirrten. Schelling hielt die Publikation offenbar nicht für so wichtig, dass sie eine Pressekonferenz gerechtfertigt hätte. Die Diskretion erstaunt, zumal die Ergebnisse durchaus erfreulich sind: Zwar halten die befragten Unternehmen und Wirtschaftsprüfer die Kommunikation zwischen FMA und Prüfstelle für verbesserungswürdig, die Auswertung zeigt aber klar, „dass die Einrichtung des österreichischen Enforcement-Systems (. . .) zur Gewährleistung der Regelkonformität der Unternehmensabschlüsse grundsätzlich von allen Befragungsgruppen positiv beurteilt wird“. Die Prüfungen seien intensiv und meist zu lang, jedoch werden die Prüfungsschritte und -ergebnisse mehrheitlich als transparent und gut verständlich eingeschätzt. Zufriedenheit herrscht auch mit der Qualität der Prüfer. Es gehört gesagt: Die Bilanzpolizei hat offenbar ihre ersten Hürden gut genommen.

E-Mails an:judith.hecht@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2016)

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