Ex-Vorstand Uher: "Ich kam und ging wegen Treichl"

Thomas Uher
Thomas Uher(c) Stanislav Jenis
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Thomas Uher war bis Ende September Vorstandsvorsitzender der Erste Bank. Im Interview spricht er erstmals über die Gründe seines Abgangs und über die Fehler der EZB.

Die Presse: Ihr Abgang von der Erste Bank war etwas plötzlich. Was war der Grund?

Thomas Uher: Das kann man relativ leicht erklären. Ich war fast zehn Jahre lang dort, wir waren uns im Vorstand in wesentlichen Dingen immer einig. Das hat sich über den Sommer zu verändern begonnen.

Und dann sind Sie gegangen?

Ja, das ging recht schnell. Für mich war klar: Ich bin seit 22 Jahren im Vorstand verschiedener Unternehmen, da schließt man keine faulen Kompromisse mehr, nur um eine Position zu halten. Da war es einfach klüger zu sagen: Ich will das nicht mitmachen, lass uns auseinandergehen. Also habe ich mich mit Andreas Treichl zusammengesetzt und das ausgesprochen. Wir können uns auf jeden Fall weiterhin in die Augen schauen.

Andreas Treichl hat erklärt, es habe unterschiedliche Auffassungen gegeben, wohin die Reise der Bank gehen soll. Wohin sollte sie denn Ihrer Meinung nach gehen?

Ich glaube nicht, dass Fintechs (moderne Finanzdienstleister, wie auch Google oder Apple; Anm.) die Banken ersetzen werden. Die erfolgreiche Bank der Zukunft wird eine Kombination sein aus einer traditionellen Bank und einem modernen Fintech – was wir mit der Ersten teilweise schon machen. Wir waren 2007, 2008, als ich gekommen bin, eine sehr traditionelle Bank. Das hat sich grundlegend geändert. Jetzt ist die Kundenanzahl um mehr als 40 Prozent gewachsen, der Gewinn hat sich mehr als verdoppelt, und wir sind mit dem Angebot George ein digitaler Vorreiter.

Ich sehe hier wenig Potenzial für einen Konflikt. Was war wirklich das Problem?

Da müssten wir einzelne strategische Handlungsoptionen abklären, das will ich nicht öffentlich machen. Es ging mehr um die Rolle der Erste Bank und die Zusammenarbeit mit den Sparkassen – das waren Themen, bei denen wir nicht mehr miteinander konnten.

Es hieß auch, zwei Alphatiere konnten nicht mehr miteinander.

Andreas Treichl ist sicher ein Alphatier, und mir fehlt auch nicht viel (lacht). Aber wir haben uns neun Jahre super verstanden. Wenn das chemisch nicht gepasst hätte, wäre das viel früher passiert. Ich bin wegen Andreas Treichl zur Erste Bank gekommen, ich bin wegen Andreas Treichl geblieben, und ich bin wegen Andreas Treichl gegangen.

Generell zur Situation der Banken: Die Deutsche Bank steht schlecht da, die italienische Monte-Bank wackelt – kommt die nächste Krise?

Ich mache mir große Sorgen wegen der italienischen Bankensituation, nicht nur wegen der Banca Monte dei Paschi. Die italienischen Banken sind nach wie vor sehr vernetzt. Die Krise ist noch nicht vorbei, das ist alles noch nicht ausgestanden. Wir sehen, dass vieles einfach noch nicht aufgeräumt wurde, die Banken müssen ihre Vergangenheit bereinigen.

Haben es die Amerikaner klüger gemacht, die reihenweise Banken in die Pleite schickten?

Ja, aber nur die kleinen Banken. Nach Lehman Brothers haben die Amerikaner keine große Bank mehr fallen lassen. Bei uns wurden die kleineren Banken nicht in die Pleite geschickt, sondern übernommen. Schauen Sie sich nur an, wie viele Volksbanken fusioniert haben und teilweise auch Sparkassen und Raiffeisenkassen.

Wie beurteilen Sie die Geldpolitik der EZB?

Die Negativzinspolitik halte ich für verheerend: Sie ist schlecht für die Sparer . . .

. . . die Menschen sollen ja auch nicht sparen, sondern Geld ausgeben und damit die Wirtschaft ankurbeln.

Das ist leider ein Blödsinn, das tun sie nämlich nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Die Menschen haben ein Sparziel, sie wollen mit 60 Jahren beispielsweise 50.000 oder 100.000 Euro in einer Pensionsvorsorge haben. Was machen sie also, wenn es keine Zinsen mehr gibt und sich das Geld nicht vermehrt? Sie sparen nicht weniger, sondern sie sparen mehr, um ihr Ziel erreichen zu können.

Die EZB hofft auch, dass die Unternehmen bei den niedrigen Zinsen investieren.

Auch das funktioniert nicht. Wir haben eine Investitionsflaute. Unternehmer investieren nämlich nicht, nur weil die Zinsen niedrig sind, sie investieren, wenn die Stimmung gut ist. Was macht die EZB mit ihrer Politik? Sie sagt uns dauernd, dass das die schlimmste aller Krisen ist und wir alles tun müssen, um diese Krise zu bekämpfen. Wo soll da Optimismus aufkommen? Also investieren Unternehmen nicht.

Aber die Banken vergeben ja auch kaum Kredite.

Das hat mit der Unsicherheit der Banken zu tun. Permanent wird über neue regulatorische Veränderungen gesprochen, man redet jetzt schon über Basel IV. Jetzt wissen die Banken nicht, ob ihr Eigenkapital bei den möglichen neuen Regelungen genügen wird, also sind sie zurückhaltend. Sie brauchen Sicherheit für die nächsten fünf, sechs Jahre. Wenn sie wissen, womit sie zu rechnen haben, können sie planen. Die EZB erreicht kein einziges ihrer Ziele: Sie gefährdet die Sparer, die Unternehmer und das Bankensystem. Ah, nein, ein Ziel hat sie erreicht: Sie hat den Euro geschwächt.

Aber sie gibt den Staaten auch die Möglichkeit, sich mit den aktuell niedrigen Zinsen zu finanzieren und zu reformieren.

Also bitte: Deutschland gilt als Sparmeister schlechthin, es schafft heuer einen Budgetüberschuss von 15 Milliarden Euro. Und wissen Sie, was sich die Deutschen durch die niedrigen Zinsen ersparen? 30 Mrd. Euro! Das heißt also, dass sogar jemand wie Wolfgang Schäuble nur die halbe Zinsersparnis ins Ziel bringt. Das Argument, dass man den Staaten strukturelle Reformen ermöglicht, greift nicht.

Sind Sie ein Anhänger der europäischen Sparpolitik?

Es gibt ja keine Sparpolitik. Die Staaten haben über alle Jahre in der Krise mehr Geld ausgegeben als im Jahr zuvor. Wenn ich spare, sieht das anders aus. Die Staaten müssten jetzt die großen Problemfelder angehen und mit dem Geld, das man sich erspart, einerseits sinnvoll Investitionen tätigen, andererseits Schulden zurückzahlen.

Den Wirtschaftstheorien von Christian Kern, der die Sparpolitik Europas kritisiert hat, können Sie also wenig abgewinnen?

Sein wunderbar geschriebener Gastkommentar war eine sehr gute Analyse. Aber er ist die Antwort schuldig geblieben, wofür man das Geld ausgeben soll. Tunnel bauen, um des Tunnelbauens willen, kann es nicht sein. Aufwärts gehen wird es dann, wenn die Unternehmen wieder investieren – und dafür brauchen sie positive Signale.

Eine persönliche Frage: Wie kommt man nach mehr als 20 Jahren im Spitzenmanagement damit zurecht, plötzlich so viel Zeit zur Verfügung zu haben?

Ich erlebe das ja erst seit drei Wochen. Ich habe Gott sei Dank einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Außerdem habe ich mich in einen Fitnessklub eingetragen. Ich möchte die Zeit bis zu meinem nächsten Job nützen, um ein paar Kilo zu verlieren.

ZUR PERSON

Thomas Uher war bis Ende September Vorsitzender des Vorstands der Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG. Zum Vorstandsvorsitzenden war er Anfang 2015 aufgestiegen, dem Vorstand der Bank gehörte er seit April 2007 an. Zuvor arbeitete der 51-Jährige bei den Bundesforsten, wo er im Vorstand für Finanzen verantwortlich war. Uher hatte Rechtswissenschaften studiert, seine berufliche Karriere begann er als Assistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Wien. Von 1989 bis 1997 war er in verschiedenen Funktionen im Bankenbereich tätig, unter anderem als Mitglied des Vorstands der Creditanstalt in Bratislava.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2016)

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