Wo schnelle Autos Gewicht verlieren

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Themenbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
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In einem einzigartigen Testcenter in Salzburg entwickelt Carbo Tech Felgen aus Carbon. Damit ist man nach einer turbulenten Zeit für die Zukunft gerüstet.

Salzburg. Man kann sich vorstellen, welche Kräfte hier wirken, wenn man die Abdeckung sieht: Was aussieht wie kleine, schwarze Farbspritzer, sind in Wirklichkeit Gummistücke vom Reifen, die fest auf dem Metall kleben. Dass der Autoreifen überhaupt noch ganz ist – wenn auch nicht in einem sehr guten Zustand –, ist eine kleine Sensation: Man hat ihn in acht Sekunden auf 300 km/h beschleunigt, die Kraft von 1400 PS simuliert und ihn auf eine Dicke von wenigen Zentimetern zusammengepresst.

Aber um den Reifen geht es in dieser Testanlage in Salzburg nicht. Es geht um die Felge, die den Reifen hält: Und sie hat trotz all der Belastungen nicht den geringsten Schaden davongetragen. „Das ist immer so bei einem neuen Produkt“, erklärt Standortleiter Thomas Lang. „Man muss beweisen, dass es doppelt so viel aushält wie das alte.“

In diesem Fall ist es eine neuartige Felge aus Carbon, die sich gegen die bewährte Konkurrenz aus Stahl und Aluminium behaupten muss. Dafür simuliert man in dem Prüfstand, der in dieser Art weltweit einzigartig ist, die Kräfte, die bei einem Autorennen auf dem Nürburgring wirken – und, wie die Reifenfetzen zeigen, noch ein bisschen mehr.

Die Carbonfelge ist das jüngste Produkt von Mubea Carbo Tech. Hergestellt werden die Felgen derzeit für Rolls-Royce und als Sonderausstattung für den BMW M4 GTS. Der Preis pro Felgensatz: zwischen 12.000 und 16.000 Euro. Das ist nicht billig, aber wer sich den BMW leisten kann, hat auch das Geld für die Spezialfelgen: Der M4 GTS kostet in der Grundausstattung 177.000 Euro.

„Wir haben mit 25.000 Felgen pro Jahr gerechnet“, erklärt Bernhard Spielvogel, Geschäftsführer von Carbo Tech. „Aber unsere Erwartungen wurden übertroffen: Jetzt planen wir mit einer Produktion von 50.000Felgen im Jahr 2020.“

Das ist für das Unternehmen erfreulich, weil man im vergangenen Jahr massive Einschnitte machen musste: 220Arbeitsplätze (darunter 100Leiharbeiter), etwa ein Drittel der Belegschaft, wurden abgebaut. Der Grund war das Auslaufen von zwei lukrativen Aufträgen für den Porsche 918 Spyder und das Ein-Liter-Auto XL1 von Volkswagen. Aktuell beschäftigt man noch 480 Mitarbeiter.

Monocoques für McLaren

Mit den Felgen hat man vorgesorgt. Denn ein anderer attraktiver Vertrag läuft im Jahr 2021 aus: Für die Sportautos von McLaren bauen die Salzburger Monocoques aus Carbon. Das war der erste prestigeträchtige Auftrag, mit dem das Unternehmen vor Jahren weltweit bekannt wurde.

„Wir können nur bestehen, wenn wir – wie bei den Felgen – innovativ sind und mit neuen Produkten kommen“, sagt Spielvogel. „Deshalb steht der Standort Salzburg, trotz hoher Arbeitskosten, für uns auch völlig außer Frage: Es ist ein attraktives Umfeld für qualifizierte Mitarbeiter, außerdem sind wir in der Produktion mittlerweile sehr effizient.“ So habe man den Ausschuss von Kohlefasern bei der Herstellung von 50 Prozent im Jahr 2011 auf aktuell unter 15 Prozent reduziert. Auch die Gesamtkosten seien deutlich gesunken: „Vor zehn Jahren hat ein Kilogramm fertiges Bauteil noch mehr als 1000 Euro gekostet, jetzt sind es um die 50 Euro.“

In Salzburg fertigt Carbo Tech tragende und komplizierte Carbonteile nicht nur für Serien-, sondern auch für Rennautos. Man beliefert etwa die Formel 1 und die Rennwagen von Le Mans und der DTM. Im Tochterunternehmen in Tschechien stellt man die einfacher zu produzierenden Verkleidungen aus Carbon her, etwa für ein Armaturenbrett.

Amerikanische Geschichte

Die Geschichte von Carbo Tech klingt sehr amerikanisch. Gegründet wurde das Unternehmen 1993 vom damals 24-jährigen Kunststofftechniker Karl Wagner in einer Garage in Salzburg. Gemeinsam mit einem später verstorbenen Geschäftspartner baute er es zu einem Unternehmen mit 75 Mio. Euro Umsatz auf. Dann kamen Schwierigkeiten, 2014 trennte sich Wagner von seinen Anteilen, seither gehört Carbo Tech dem deutschen Autozulieferer Mubea. Aktuell beläuft sich der Umsatz auf 50 Millionen Euro. „Wir haben in den vergangenen Jahren vier Millionen Euro in Salzburg investiert“, betont Spielvogel. „Das zeigt unser Bekenntnis zu diesem Standort.“

Auch wenn sich der Markt weniger schnell entwickelt als ursprünglich erwartet, ist Spielvogel zuversichtlich, dass Carbon in Autos der Zukunft verstärkt vorkommen wird. Etwa in Elektroautos, in denen das Gewicht für die Reichweite entscheidend ist, oder auch in Fahrzeugen der Oberklasse. „In den Autos wird immer mehr Elektronik verbaut“, erklärt Standortleiter Lang. „Dieses zusätzliche Gewicht muss man wieder irgendwo einsparen.“ Aber: „In einem Golf wird Carbon auch in den nächsten 20 Jahren nicht vorkommen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2016)

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