Die schwere Wirtschaftskrise ist noch lange nicht vorbei, aber zumindest die Talfahrt ist halbwegs gestoppt. Wifo und IHS rechnen mit sehr langsamer Erholung, die Staatsschulden werden zum "Riesenproblem".
Wien (ju).Die schwere Wirtschaftskrise ist noch lange nicht vorbei, aber zumindest die Talfahrt ist halbwegs gestoppt. Diese Interpretation lassen die jüngsten Prognosen der beiden heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS (Institut für Höhere Studien) zu. Im dritten Quartal sei der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zum Stehen gekommen, ab dem Herbst werde es leicht bergauf gehen. Sehr zäh zwar, aber die Gefahr eines schweren Rückschlags sei eher gering, meinten die beiden Institutschefs Karl Aiginger (Wifo) und Bernhard Felderer (IHS) am Freitag bei der Präsentation ihrer jüngsten Prognosen.
Konkret gehen die beiden Häuser von einem Schrumpfen der Wirtschaft um real 3,4 (Wifo) bis 3,8 Prozent (IHS) aus. Für 2010 nehmen beide Institute ein BIP-Wachstum von real einem Prozent an. Bisher waren die Vorhersagen von mehr als vier Prozent Wirtschaftsschrumpfung in diesem Jahr und von 0,5 Prozent Wachstum im kommenden Jahr ausgegangen.
Arbeitslosigkeit steigt weiter
Die zahlreichen Arbeitslosen im Lande werden vom Aufschwung vorerst aber nichts spüren: Die Arbeitslosigkeit wird im kommenden Jahr auf rund sechs Prozent nach EU-Definition und auf 8,5 Prozent nach österreichischer Berechnung weiter steigen. Um die Arbeitslosenzahl deutlich zu senken, müsste das Wirtschaftswachstum auf mehr als 2,5 Prozent klettern. Das ist auf absehbare Zeit nicht wahrscheinlich, weil die Konjunkturerholung nur sehr langsam voranschreiten wird.
Kein Problem sollte heuer und im nächsten Jahr die Inflation darstellen: Die Teuerung wird im kommenden Jahr auf 1,3 bis 1,4 Prozent klettern, nachdem sie heuer beinahe zum Stillstand gekommen ist. Größerer Preisdruck dürfte erst entstehen, wenn die derzeit sehr schlecht ausgelasteten Produktionskapazitäten wieder in die Nähe der Vollauslastung kommen. Das wird wohl nicht vor 2012 oder 2013 der Fall sein.
Zum Problem wird aber jedenfalls die explodierende Staatsverschuldung: Weil Bankenhilfen und Konjunkturprogramme Milliardensummen erfordern, schätzen die Wirtschaftsforscher, dass das Budgetdefizit heuer auf 4,5 und im kommenden Jahr auf 5,5 Prozent steigt. Nach dem Euro-Stabilitätspakt wären nur drei Prozent Neuverschuldung zulässig, dieses Kriterium wird in den kommenden Jahren aber kaum ein Euro-Land erfüllen.
Felderer (er ist zugleich Chef des Staatsschuldenausschusses) und Aiginger mahnten wegen der Schuldenexplosion Einsparungen bei den Staatsausgaben ein. Allerdings solle mit dem Defizitabbau, so Aiginger, frühestens 2011 begonnen werden, um die Konjunktur nicht gleich wieder abzuwürgen. Mit den Vorbereitungen solle man aber schon 2010 beginnen. Aiginger tritt dafür ein, das Budget „womöglich“ ausgabenseitig und nicht über höhere Steuern zu sanieren. Das Land habe ohnehin schon eine sehr hohe Abgabenquote. Als Sparbereiche identifiziert Aiginger die Gesundheitsausgaben, auch „intelligente Teilprivatisierungen“, etwa bei der Kommunalkredit, seien zu überlegen. Felderer sieht im Gesundheits- und im Pensionssystem die größten Einsparungspotenziale.
„Sparen allein ist zu wenig“
Die Verschuldung sei, so die Wirtschaftsforscher, ein Problem, mit dem man sich nach dem Ende der Krise sehr intensiv beschäftigen werde müssen. Mit Sparen allein werde man das Problem aber nicht in den Griff bekommen, meinte Felderer. Dafür seien die Summen schon zu hoch. Benötigen werde man auch hohe Wirtschaftswachstumsraten. Rund vier Prozent nominelles Wachstum sei notwendig, um die Verschuldung unter Kontrolle zu halten. Große Wahlmöglichkeiten habe Österreich nicht: Eine zu hohe Staatsverschuldung würden die internationalen Kapitalmärkte nicht zulassen.
Die Verbesserung der Wirtschaftslage in Österreich steht durchaus im Einklang mit der internationalen Entwicklung. Deutlich besser als noch vor dem Sommer präsentiere sich die Lage in Deutschland und Frankreich, konjunkturelle Problemfälle seien Großbritannien und Spanien. Die Konjunktur im Euro-Raum entwickelt sich insgesamt ähnlich wie in Österreich: Heuer werde das Euroland-BIP um 3,9 Prozent schrumpfen, 2010 um ein Prozent wachsen.
Die politischen Reaktionen auf die neue, verbesserte Konjunkturprognose fielen erwartungsgemäß aus: Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) sagte, die Prognose bestätige seine Konjunkturpolitik. Wegen der hohen Staatsverschuldung gebe es aber noch keinen Grund für eine Entwarnung. Das Problem der Staatsschulden müsse man jedenfalls so bald als möglich angehen. SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter findet es erfreulich, dass „die Politik der SPÖ-geführten Bundesregierung wirkt“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2009)