Wifo-Chef für Neuorganisation des Sozial- und Steuersystems

Christoph Badelt
Christoph Badelt (c) Clemens Fabry (Presse)
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Die Digitalisierung der Arbeitswelt sei nicht zu leugnen, betont Christoph Badelt. Er fordert: "Reden wir die Probleme nicht weg."

Mit den Schlagworten Cloud-Working, Crowd-Working, neue Arbeitsplätze, kürzere Arbeitszeiten, neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle prognostizierte Wifo-Chef Christoph Badelt am Freitag eine digitale Revolution der Arbeitswelt – und forderte deshalb eine grundsätzliche Diskussion über eine Neuorganisation des österreichischen Sozial- und Steuersystems. Von politischen Schlagworten - Stichwort Wertschöpfungsabgabe – hielt er dabei wenig: "Wir können es nicht verhindern, wir können in Wirklichkeit nur das beste daraus machen. Reden wir aber die Probleme nicht weg.“

Es brauche zum einen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, zum anderen seien eine ganze Reihe von sozial- und wirtschaftspolitischen Fragestellungen zu klären. Durch die Digitalisierung werde nämlich die Zahl jener steigen, die ihre Dienste allein im Zuge von Cloud- oder Crowd-Working anbieten. Diese neuen digitalen Arbeitsformen würden zugleich zu größeren Versicherungsunterbrechungen und geringeren Einkommen führen, mit entsprechenden Auswirkungen auf Altersversorgung, Krankenstände oder Kinderkarenzen. "Da geht es auch, aber nicht nur um die Finanzierungsfrage", meinte der Wifo-Chef.

Warnung vor "Unterhöhlung" des Arbeits- und Sozialrechts

Martin Risak vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien ortete einen Trend zum "digitalen Tagelöhner". Arbeitsverhältnisse würden durch die digitale Organisation und Produktion via Internet atomisiert. "Das Risiko unproduktiver Zeiten wird auf den Arbeitenden selbst verlagert." Risak schlug deshalb vor, über alternative Finanzierungsformen der Sozialversicherungen nachzudenken, die nicht auf dem Faktor Arbeit beruhen. Andreas Boes vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in München warnte daraufhin vor einer "schleichenden Unterhöhlung" des Arbeits- und Sozialrechts. Der Status des Arbeitnehmers dürfe nicht aufgegeben werden, so der Sozialwissenschafter. Schutzrechte müssten den Rahmenbedingungen der digitalen Arbeitswelt angepasst werden, um einen zivilisatorischen Rückschritt zu vermeiden.

Sylvia Kuba von der Arbeiterkammer präsentierte anlässlich der Sozialstaatsenquete des Wifo und des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger eine aktuelle Studie zur Tätigkeit österreichischer Crowd-Worker. Fünf Prozent der befragten Österreicher gaben an, wöchentlich über eine Plattform zu arbeiten. "Das war überraschend viel", berichtete Kuba. 48 Prozent der befragten Crowd-Worker verdienen demnach weniger als 18.000 Euro pro Jahr, weitere 43 Prozent verdienen zwischen 18.000 und 36.000 Euro, nur drei Prozent verdienen mehr als 60.000 Euro pro Jahr.

Hauptverband-Vorsitzende Ulrike Rabmer-Koller wies bei der Staatsenquete, die unter dem Titel "Arbeiten in der Wolke - Soziale Sicherung und Sozialstaatsfinanzierung im Spiegel digitalisierter Arbeitsmärkte" lief, auf die Chancen der Digitalisierung hin. Diese bringe für die Arbeitnehmer auch neue und flexiblere Arbeitsmöglichkeiten. "Flexible Arbeitsformen erhöhen den Wohlstand und steigern die Beschäftigung." 2004 waren laut Rabmer-Koller 40 Prozent der Österreicher im erwerbsfähigen Alter vollzeitbeschäftigt, 2015 waren es auch 40 Prozent. "Panik ist nicht angebracht". Im Gegensatz zu anderen Ländern seien in Österreich auch bereits alle Erwerbsformen von der Sozialversicherung erfasst und abgesichert. Es brauche aber im Hinblick auf die sich verändernden Berufsbilder noch stärkere Investitionen in Qualifikation sowie Aus- und Weiterbildung, so die Vorsitzende des Hauptverbands der Sozialversicherungen.

(APA)

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