Brauchen selbstfahrende Autos Scheinwerfer?

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Symbolbilder zur PKW Maut Autos in der Nacht auf einer Autobahn Lichtschlangen und Leuchtspuren bb_(c) imago/INSADCO (imago stock&people)
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Heimische Firmen wissen zwar grundsätzlich um die Bedeutung der Digitalisierung, so eine Studie des Beraters EY. Die konkreten Auswirkungen werden aber oft unterschätzt.

Wien. Dass Digitalisierung jeden betrifft, ist im Jahr 2016 eigentlich ein Gemeinplatz. Kaum ein Österreicher, der nicht ein Smartphone sein Eigen nennt und nicht schon einmal im Internet eingekauft oder seine Bankgeschäfte erledigt hat. Dass die Digitalisierung auch Branchen betreffen wird, die auf den ersten Blick dem Thema nicht ganz so stark ausgesetzt sind wie der Handel oder das Bankwesen, scheint sich ebenfalls langsam herumzusprechen. Zumindest zeigt das eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung EY, bei der 900 heimische Klein- und Mittelbetriebe mit 30 bis 2000 Mitarbeitern befragt wurden.

56 Prozent der Befragten erklärten demnach, dass die Digitalisierung im derzeitigen Geschäftsmodell bereits eine große beziehungsweise sehr große Rolle spielen würde (siehe Grafik). 74 Prozent sind auch der Ansicht, dass Digitalisierung in den nächsten fünf Jahren eine größere Rolle spielen wird.

„Die meisten Unternehmer sind sich also durchaus bewusst, dass Digitalisierung sie betreffen wird“, sagt Strategieberater Martin Unger von EY, der für die Studie verantwortlich war. Außerdem reagieren sie auch sehr positiv auf die Veränderungen: Nur sechs Prozent erklären, dass sie Digitalisierung eher als Bedrohung für ihre Firma wahrnehmen. „Die Unternehmer sehen also vor allem die Chancen. Das hat uns wirklich positiv überrascht“, sagt Unger. So würden sich die Firmen durch die neuen Möglichkeiten vor allem einen besseren Zugang zu potenziellen Kunden und auch bessere Daten über diese erwarten.

So viel zum halb vollen Teil des Glases.

Denn bei allem grundsätzlichen Verständnis für die Bedeutung der Digitalisierung werde das „Ausmaß und die Dimension der Veränderungen von vielen noch nicht gesehen“, sagt Unger. Dies könne einerseits sein, dass es plötzlich völlig neue und bis dahin unerwartete Konkurrenten gibt. Und diese müssen nicht immer aus dem amerikanischen Silicon Valley kommen. Ein Beispiel dafür sei der Stromhandel: Hier sind Energieversorger aufgrund von Digitalisierung und Liberalisierung damit konfrontiert, dass plötzlich auch Supermärkte in das Geschäft einsteigen wollen, so Unger in Bezug auf entsprechende Pläne der zum deutschen Rewe-Konzern gehörenden heimischen Supermarktkette Billa.

Aber auch das eigene Produkt kann durch die Digitalisierung massiven Veränderungen unterworfen sein oder sogar obsolet werden. Dies treffe etwa auf heimische Autozulieferer zu, sagt Unger. Denn in der Mobilität gibt es derzeit zwei Megatrends: jenen zum Elektroantrieb und jenen zum selbstfahrenden Auto. Heimische Zulieferer von Motor- und Getriebeteilen müssten ihre Produktpalette daher entsprechend anpassen.

Aber auch die Hersteller von Scheinwerfern sollten sich Gedanken machen. Denn es sei wahrscheinlich, dass ein selbstfahrendes Auto, das sich mittels Sensoren zurechtfindet, andere Anforderungen an einen Scheinwerfer stellt, als sie bei heutigen Autos gängig sind. „Viele Ökosysteme verändern sich. Die Unternehmen müssen sich die Frage stellen, welchen Platz sie und ihre Produkte in diesem Ökosystem noch haben“, sagt Unger.

Was macht Google?

Doch wie sollen österreichische Mittelständler das konkret angehen? Auch sie müssten sich entsprechende Studien besorgen oder Vorträge besuchen, rät Unter. Oder sie beobachten zumindest, in welchen Bereichen die großen US-Konzerne wie Google aktiv sind. So forsche der US-Internetkonzern derzeit ganz stark in den Bereichen Mobilität, erneuerbarer Energie, Smart Home und Gesundheit. Heimische Erzeuger von Heizkesseln oder konventionellen Blutdruckmessern sollten sich also Gedanken machen.

„Die Digitalisierung ist keine Modeerscheinung, die wieder vorübergeht“, so Unger weiter. „Sie wird einfach alle Branchen betreffen – auch solche wie die Forstwirtschaft.“ Bei manchen werden die Änderungen zwar geringer sein, dennoch gehe es zumindest um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der direkten Konkurrenz, wenn Unternehmen die neuen Möglichkeiten nutzen können.

Vor allem bei Branchen, die noch als sehr traditionell gelten und auf einem Handwerk aufbauen, sei die Gefahr groß, dass manche die Zeit übersehen. „Aber eines ist klar: Die Digitalisierung wird zu einer großen Selektion unter den Unternehmen führen.“

Am wenigsten betroffen seien jene Branchen, die Dienstleistungen sehr nahe am Kunden anbieten, die kaum substituierbar sind. Aber auch hier spielt Digitalisierung zunehmend eine Rolle. So sei es in den USA bereits ein gängiges Service von Friseuren, dass anhand von Fotos der Kunden neue Frisuren vor Ort ausprobiert werden können. Wer bei solchen Angeboten die Nase vorn habe, könne zumindest beim Marketing im Netz besser auffallen und so neue Kundengruppen erschließen, so Unger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2016)

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