Verlierer der Globalisierung müssen kompensiert werden

Wirtschaftsweiser Peter Bofinger fordert ein geeintes Europa.
Wirtschaftsweiser Peter Bofinger fordert ein geeintes Europa.(c) APA/AFP/dpa/MICHAEL KAPPELER
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Für den deutschen Wirtschaftsweisen Peter Bofinger ist die "Globalisierung kein Selbstzweck". Sein Appell: Schädlichen Steuerwettbewerb beenden.

Der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat bei der erstmaligen Verleihung des "Kurt-Rothschild-Preis" gefordert, dass die Verlierer der Globalisierung kompensiert werden müssten. Die Globalisierung sei kein Selbstzweck, die Gewinner müssten was abgeben. Zudem müsse der schädliche Steuerwettbewerb in Europa beendet werden.

"Revolte der vergessenen Männer und Frauen"

Die Tatsache, dass die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten und der Brexit als "Schock" wahrgenommen wurden, zeige, "wir hatten das nicht auf dem Schirm", so Bofinger, der am Mittwochabend den Preis für sein wirtschaftspublizistisches Lebenswerk erhalten hat. Was zu sehen sei, sei eine "Revolte der vergessenen Männer und Frauen, die mit dem Status quo nicht zufrieden sind". Bofinger sprach sich laut Aussendung der SPÖ auch für kräftige fiskalische Impulse zur Ankurbelung der Wirtschaft aus.

Europa müsse als Teil der Lösung gesehen werden, was bedeute, dass man das Grundproblem angehen müsse: "Die Globalisierung hat nicht zum Wohlstand für alle, sondern nur für wenige, die obersten ein Prozent, geführt", sagte Bofinger.

Steuerwettlauf nach unten

Internationale Arbeitsteilung erhöhe laut Theorie zwar den Wohlstand von Nationen, die Gewinne könnten aber ungleich verteilt sein. Das werde zu oft verdrängt. Globalisierung sei kein Selbstzweck, sondern müsse sich durch Wohlstand für alle legitimieren. "Wer verliert, muss kompensiert werden. Die Gewinner müssen etwas abgeben", forderte Bofinger. Aber gerade dieser Ansatz habe in den letzten Jahren wenig Anhänger gehabt, was sich direkt in sinkenden Steuern auf hohe Einkommen und dem Steuerwettlauf nach unten bei den Unternehmenssteuern niedergeschlagen habe.

Was Europa bräuchte, sei mehr Integration. Allerdings eine, die nicht nur den Binnenmarkt betreffe, sondern eine Politik-Integration. So sollte der Steuerwettbewerb in Europa begrenzt, reduziert, oder vielleicht sogar ganz beseitigt werden. Derzeit bildeten fast nur mehr jene die Steuerbasis, die nicht weggehen könnten. Und statt die Schwächeren zu kompensieren, lande die Steuerlast bei ihnen. Auch mit dem Lohnsenkungswettbewerb sei viel Schaden angerichtet worden.

Einiges Europa gefordert

Da eine stärkere Integration Zeit brauche, fordert Bofinger von der EU möglichst schnell fiskalische Impulse, wie Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Forschung, um die Arbeitslosigkeit abzubauen. Den Einwand, dass damit die Defizite erhöht werden, lässt Bofinger nicht gelten, zumal der Euroraum der Währungsraum sei mit dem geringsten Defizit im Vergleich zu den USA, China oder Indien.

Für die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) ist Bofinger voll des Lobes, das "Whatever it takes, it will be enough" von EZB-Chef Mario Draghi im Jahr 2012 sei ein Wendepunkt und ein "Geniestreich" gewesen. Seither gebe es de facto keine Konsolidierung mehr im Euroraum.

Sein Plädoyer für mehr Europa untermauerte Bofinger nicht zuletzt geopolitisch. Ein uneiniges Europa würde im Kräftedreieck mit zunehmend protektionistischen und autokratischen USA und China den Kürzeren ziehen. Es hätte extrem schlechte Folgen, wenn Europa auseinanderbräche, und das weit über das Ökonomische hinaus.

(APA)

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