„VW muss rasch wieder Geld verdienen“

Volkswagen
Volkswagen(c) APA/dpa/Philipp von Ditfurth (Philipp von Ditfurth)
  • Drucken

Der Dieselskandal hat Vorstand und Betriebsrat in die Gänge gebracht. Mit radikalen Maßnahmen – wie etwa dem Abbau von 30.000 Jobs weltweit – soll der Wolfsburger Konzern bis 2020 wieder wettbewerbsfähig werden.

Wien. „Zukunftspakt“ nennen Vorstand und Betriebsrat von Volkswagen hoffnungsfroh jenes Programm, das sie am Freitag publikumswirksam unterzeichneten. Dieser sei das Ergebnis konstruktiver Verhandlungen, betonten sie unisono: „Wir haben jetzt ein Ergebnis der Vernunft“, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bern Osterloh. Doch was so vielversprechend klingt, ist de facto nichts anderes als eine wahre Rosskur, mit der „die Rückkehr der Marke Volkswagen auf einen profitablen Wachstumskurs“ garantiert und die Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessert werden soll. In Zahlen heißt das: Bis 2020 will der Konzern seine operativen Kosten um 3,7 Milliarden Euro gesenkt haben. Drei Milliarden sollen im Inland, 700 Mio. Euro an den ausländischen Standorten eingespart werden. Ein äußerst ambitioniertes Ziel.

Freilich, ein Sparprogramm wäre Volkswagen in den nächsten Jahren ohnehin nicht erspart geblieben. Von 100 Euro Umsatz blieben VW zuletzt nur etwa 1,6 Euro als Gewinn vor Zinsen und Steuern übrig. Doch der Dieselskandal, der den Konzern nicht nur weltweit seine Reputation, sondern bisher auch einen hohen zweistelligen Milliarden-Euro-Betrag kostete, beschleunigte die Sparpläne des Vorstandes gewaltig. „VW muss schnell wieder Geld verdienen und sich für den kommenden Sturm wappnen“, sagte VW-Markenchef Herbert Diess gestern in Wolfsburg. Wie der deutsche Autohersteller den Turnaround schaffen will und welche Folgen die Einsparungen für andere Standorte haben? „Die Presse“ hat die Antworten:

1. Wie viele Mitarbeiter werden ihren Job bei Volkswagen verlieren?

Weltweit will der Konzern bis 2025 30.000 Stellen in „konventionellen Bereichen“ streichen. Davon entfallen rund 23.000 Arbeitsplätze auf die Standorte in Deutschland. Das ist rund ein Fünftel aller Stellen. Insgesamt beschäftigt VW in unserem Nachbarland 114.000 Mitarbeiter. Allerdings: Betriebsbedingte Kündigungen sollen nicht ausgesprochen werden. Vielmehr solle der Abbau „sozial verträglich“ erfolgen, also über Fluktuation, Altersteilzeit und frühest mögliche Pensionierungen geregelt werden. Seit Juli 2014 besteht in Deutschland die Möglichkeit, bereits mit dem 63. Lebensjahr in Pension zu gehen.

2. Wie wird sich der Mitarbeiterabbau auf die Produktion von VW auswirken?

Die Organisation des Wolfsburger Konzerns gilt als stark aufgebläht. Ein Vergleich: Der japanische Autobauer Toyota verkaufte 2015 weltweit am meisten, nämlich 10,15 Mio. Fahrzeuge, und beschäftigte 339.000 Mitarbeiter. Volkswagen liegt mit 9,93 Mio. Stück an Nummer zwei der Verkaufsliste, zählt aber insgesamt 610.000 Mitarbeiter.

Dass sich der Abgang von so vielen Beschäftigten dennoch auswirken werde, davon ist Günther Kerle, Vorsitzender des Arbeitskreises für Automobilimporteure der Industriellenvereinigung, dennoch überzeugt: „Die Produktion bei VW wird umgestellt und modernisiert werden müssen. Mit einem Minus von 30.000 Mitarbeitern kann man sonst nicht denselben Umsatz generieren.“ Doch käme dem Wolfsburger Konzern der Trend, sich in der Automobilbranche mehr und mehr auf Elektromotoren zu fokussieren, entgegen: „Die Produktion eines Elektromotors ist viel weniger personalintensiv wie der Bau eines Verbrennungsmotors. Es gibt einfach viel weniger Komponenten.“

3. Wird in Österreich die Automotive-Branche von dem VW-Zukunftspakt betroffen sein?

In Österreich sind 32.000 Menschen in der Automotive-Branche beschäftigt. „Grundsätzlich wird es für sie keine direkten Auswirkungen geben“, ist Kerle überzeugt. „Volkswagen hat nämlich in Österreich keine Produktionsstätten.“ Keine Illusionen sollte man sich nach Ansicht des Experten jedoch darüber machen, dass die Umstellung auf Elektromotoren gravierende Folgen – auch für den Standort Österreich – haben werde: „30 bis 40 Prozent der Neuzulassungen sollen in den nächsten zehn Jahren bereits auf Elektroautos entfallen. Auf einen starken Rückgang müssen sich deshalb die Hersteller von Verbrennungsmotoren einstellen.“ Der Autohersteller BMW lässt etwa in Steyr Dieselmotoren und Opel Benzinmotoren in Wien-Aspern fertigen. Nicht nur sie, sondern auch alle Automobilzulieferer sind aufgrund des Wandels gezwungen, rasch mit neuen Innovationen zu reagieren.

4. Welche weiteren Maßnahmen plant Volkswagen, von Stellenstreichungen abgesehen?

VW will 3,5 Mrd. Euro in den Umbau des Unternehmens investieren. Bis 2020 soll die Marke völlig neu aufgestellt sein. Ziel sei es, „VW auf den Zukunftsfeldern E-Mobilität und Digitalisierung an die Spitze der Branche zu bringen“, so der Vorstand gestern. Dazu seien 9000 Mitarbeiter, etwa in der Softwareentwicklung, notwendig. Diese neu geschaffenen Stellen werden vorwiegend mit bereits vorhandenen Mitarbeitern besetzt, einige Spezialisten sollen von außen kommen.

Die Anleger reagierten übrigens auf die gestrigen Ankündigungen unaufgeregt. Nachdem der Kurs der VW-Aktie in erster Reaktion um ein Prozent stieg, pendelte sie sich später nahezu auf dem Vortageswert ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Volkswagen-Chef Matthias Müller
Unternehmen

VW streicht bis zu 30.000 Stellen

VW setzt den Rotstift an. Bis zu 30.000 Stellen sollen bis 2020 wegfallen. Betroffen sind vor allem deutsche Standorte.
Tankuhr - Leerer Tank
Energie

Autohersteller tricksen bei Tests zu Spritverbrauch

42 Prozent betrage laut ICCT die Kluft zwischen Realität und Testverbrauch. Die Hersteller nutzen demnach "immer systematischer Schlupflöcher" aus.
Diese Abgase bereiten VW weniger Sorgen
Unternehmen

Hat VW im Dieselskandal Daten vorsätzlich vernichtet?

Die US-Wettbewerbsbehörde untersucht das möglicherweise absichtliche Löschen wichtiger Daten.
FILES-US-GERMANY-AUTO
Österreich

Ab April läuft neuer E-Golf vom Band

Auch am Standort Dresden wird künftig mehr fabriziert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.