Die etwas andere Wanne

(c) Clemens Fabry
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Der familiengeführte Installateur Marvan kann 120 Jahre Geschichte und 11.000 Kunden in seiner Kartei vorweisen. Die vierte Generation mengte der Tradition nun die nötige Innovation bei.

Während Matthias Marvan den Bäderkatalog aus Kaisers Zeiten durchblättert, kann er seine Begeisterung schwer verbergen. Auch wenn er ihn bestimmt schon Dutzende Male in der Hand gehabt hat. „Das war purer Luxus. Es ist alles schon da gewesen, die irrwitzigsten Brausen und Bäder“, sagt er, während er sich tiefer über den Katalog mit den feinen Drucken beugt.

Alles schon da gewesen, das mag stimmen. Aber wenn man auf die Preisangaben in Kronen am Rand der hübsch gemalten Badegemächer blickt, sieht man: Ein gefliestes, eigenes Badezimmer mit fließendem Wasser und womöglich noch einer Wanne, das war in einer nicht so weit zurückliegenden Vergangenheit den oberen Zehntausend vorbehalten.

Was Marvan neben all dem gefliesten Luxus besonders gern unterstreicht: „Eine Badewanne mit Tür hatten sie damals nicht.“ Die ist nämlich die Spezialität des familiengeführten Installateurbetriebs nahe dem Wiener Reumannplatz. Das 120 Jahre alte Unternehmen wird zurzeit in dritter und vierter Generation geführt. Aber erst die Idee mit der Badewannentür vor etwa zehn Jahren machte die Marvans über die Grenzen von Favoriten hinweg bekannt, erzählt Mutter Regina.

Als „graue Eminenz im Hintergrund“ bezeichnet sich die freundliche, ältere Dame. Sich selbst rechnet sie gar nicht mehr in die Mitarbeiterzahl ein – und dennoch kann man ungefragt davon ausgehen: Ohne den Segen der Seniorchefin gesellt sich zu den aktuell 13 Mitarbeitern so schnell kein neuer hinzu. Dafür sind viele ihrer Angestellten bereits seit mehr als 20 Jahren im Team, die Monteure sind alle bei den Marvans in die Lehre gegangen. „Außenseiter kann man bei uns nicht sein, weil es so familiengeführt ist“, ergänzt Sohn Matthias.

Dass er und sein älterer Bruder, Christoph, dem die Firma die Erfindung der mittlerweile patentierten Badewannentür verdankt, nunmehr als vierte Generation zur Übergabe bereitstehen, war trotz des behüteten Arbeitsumfelds nicht vorgezeichnet. Beide besuchten eine HTL, beide zog es aber kurzfristig auf die Universität – und dann wieder zurück in den elterlichen Betrieb.

„Ich wollte immer, dass sie frei entscheiden“, betont Regina Marvan. Zu lebhaft habe sie das Negativbeispiel ihres eigenen Mannes, Ferdinand, vor Augen gehabt, der eigentlich Lehrer werden wollte und nicht durfte. Es galt schließlich, einen Betrieb zu übernehmen. Er sei nach allem menschlichen Ermessen auch in der Gellertgasse glücklich geworden, sagt sie. Aber so eine Zwangsentscheidung wollte sie für ihre Söhne nicht. Gezwungen hat ihn keiner, betont Matthias Marvan. Es sei vielmehr das Gefühl gewesen, Teil eines funktionierenden Ganzen zu sein, das ihn zurück nach Favoriten lockte. Der Juniorchef betont: Trotz der 11.000 Kunden in der Kartei und der seit 120 Jahren gewachsenen Strukturen erlaube das Familienunternehmen ihm, darin zu wachsen.


Die vierte Welle.
Ebendiese gewachsenen Strukturen waren es aber auch, die den Juniorchef nach seinem Eintritt 2009 auf den Beinen hielten. Eine Website hatte im Installateurbetrieb Marvan noch keinen Einzug gehalten. Die Lagerhaltung gehörte überdacht, die Büroräume in der Gellertgasse ausgebaut. Zudem war die Zeit reif für eine abermalige Neuverortung.

Die erste Generation, der böhmische Urgroßvater, Johann Marvan, gründete das Geschäft 1896 als kleinen Spenglerbetrieb. Großvater Ferdinand entwickelte es in der Zwischenkriegszeit zum Installateurunternehmen, das viele Großaufträge für die Stadt Wien abwickelte. Vater Ferdinand legte den Schwerpunkt auf Privatbäder. Um die Jahrtausendwende musste der Familienbetrieb inmitten des immer stärkeren Wettbewerbs seine Spezialisierung neu abstecken.

„Wir haben einen sehr großen Kundenstock übernommen. Die Leute sind mit uns mitgealtert“, erzählt Seniorchefin Regina Marvan. Was läge also näher, als dem demografischen Wandel und den sich ändernden Bedürfnissen im Bad entgegenzukommen? So entwickelte der ältere Sohn, Christoph, auf Anstoß der betagten Kundschaft eine nachträglich einbaubare Wannentür und nannte sie Magic Bad. Sein Bruder, Matthias, nahm den Gedanken auf und spann ihn weiter: Heute gibt es aus dem Haus Marvan vorgefertigte Badewannen mit Tür zu kaufen. Die zwei Ingenieurbrüder vergeben die Lizenzen zum Einbau der Türen mittlerweile auch an rund 70 weitere Installateurunternehmen in Österreich. Die Montage der 7000 Türen, die seit der Patentierung 2006 eingebaut wurden, wäre auch mit dem routinierten, alteingesessenen 13-köpfigen Team irgendwann nicht mehr zu bewerkstelligen gewesen.

„In der Branche wurden wir lang genug für verrückt gehalten“, sagt die Seniorchefin. Jetzt ist die einst belächelte Tür in sechs Ländern vertreten. Konkurrenz wie der Großhandel kauft bei den Marvans zu. Aus der Masse an Wiener Installateuren sticht man dank der Erfindung mittlerweile hervor. Klassische Installateurarbeiten an Heizungen, Klimaanlagen, Thermen oder Gasleitungen führe man aber nach wie vor durch – auch ein kreatives Standbein allein erhält wirtschaftlich keinen Betrieb.

Die vierte Generation sieht gelassen in die Zukunft. Dennoch betonen die Ingenieurbrüder, wie ungern sie ihren Vater in die Pension entlassen würden: „Wir können nicht ohne ihn. Er ist die Erfahrung pur. Er sagt selbst, er hat 30 Jahre nur gelernt“, sagt Matthias Marvan. In dem Sinn haben er und sein Bruder noch einige Lehrjahre vor sich. ?

In Kürze

1896 als kleiner Spenglerbetrieb nahe dem Wiener Reumannplatz gegründet, betreibt das Installateurunternehmen der Familie Marvan heute zwei Standorte in Favoriten.

Verkauft wird am Reumannplatz Nr. 18 – dort können Kunden auch die patentierte Badewanne mit Tür begutachten. In der nahe gelegenen Gellertgasse 55 spielt sich alles hinter den Kulissen ab. Hier am ursprünglichen Firmensitz der Familie finden sich Werkstatt, Lager und Büroräume.

Öffnungszeiten und weitere Infos auf:

www.marvan-installateur.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2016)

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