Londoner Regierung gewinnt Parlamentsvotum für Brexit

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Die Mehrheit im Unterhaus akzeptiert den Zeitplan, im Gegenzug will die Regierung die Parlamentarier über die Pläne informieren.

London. Die britische Regierung hat einen großen Schritt Richtung Beginn des EU-Austrittsprozesses geschafft. Mit großer Mehrheit der Konservativen und der oppositionellen Labour Party nahm das Unterhaus eine Resolution an, die den Zeitplan der Regierung unterstützt, bis März 2017 Artikel 50 des EU-Vertrags (die Austrittsklausel) zu aktivieren. Dafür wird das Kabinett von Theresa May das Parlament über seine Pläne für die Brexit-Verhandlungen informieren.

Beide Seiten reklamierten gestern, Donnerstag, den Sieg für sich. Ex-Arbeitsminister Iain Duncan Smith sprach sogar von einem „historischen Augenblick“: „Sie haben uns eine Blankovollmacht gegeben.“ Genau gegenteilig beurteilte der Labour-Abgeordnete Keir Starmer das Ergebnis: „Wir werden die Regierung zwingen, uns Rechenschaft zu geben.“

Ob das Kabinett dafür ausreichend Informationen liefern wird, blieb allerdings fraglich. Brexit-Minister David Davis sprach lediglich vage von Plänen der Regierung, während er weiter an der Position der Regierung festhielt, man müsse die Verhandlungspositionen geheim halten, um die britische Position in den Gesprächen mit der EU nicht zu gefährden.

„Kein Rosinenpicken“

Denn die Brexit-Verhandlungen, daran zweifelt in London heute niemand mehr, werden hart werden. Der künftige EU-Chefverhandler, Michel Barnier, sprach zuletzt davon, dass in nur 15 bis 18 Monaten eine Vereinbarung getroffen werden müsse, wovon die britische Regierung sichtlich überrascht wurde. Barnier erklärte zudem: „Es kann keine Vereinbarung geben, bei der jemand außerhalb der EU besser gestellt ist als innerhalb. Rosinenpicken wird es nicht geben.“

Artikel 50 sieht nach Beginn einen Zeitraum von zwei Jahren für eine Verhandlungslösung vor.

Das Ergebnis muss nicht nur vom Europaparlament, sondern auch von allen nationalen Parlamenten bestätigt werden. Auch das britische Unterhaus soll nun offenbar eine Mitsprache erhalten. Viele Abgeordnete fürchten allerdings, dass ihnen dann nur eine Friss-oder-stirb-Option bleibt: Entweder sie akzeptieren das Verhandlungsergebnis der Regierung oder sie bekommen den „härtesten aller harten Brexits“, wie es der Leiter des Thinktanks Centre for European Reform, Charles Grant, formuliert.

In diese Richtung mehren sich die Vorzeichen: Der Chef der französischen Finanzaufsicht, Benoît de Juvigny, sagte der BBC, Gespräche über die Abwerbung internationaler Großbanken von London nach Paris seien „in einem fortgeschrittenen Stadium“. Aus Kreisen der EU-Kommission war indes zuletzt von Scheidungskosten für London nach Verlassen der EU in Höhe von 40 bis 60 Mrd. Euro die Rede.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2016)

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