"Ohne Tourismus ist in den Tälern nichts mehr"

(c) Clemens Fabry
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Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), fordert mehr Rücksicht von der Gewerkschaft und eine härtere Gangart gegen die Steuerpraktiken der Vermietungsplattform Airbnb.

Die Presse: Das Motto des heurigen ÖHV-Kongresses lautet: „Verändern oder verändert werden“. Gegenüber den Buchungsplattformen haben die Hotels eines ihrer Ziele erreicht. Hotels dürfen auf ihrer Website wieder billigere Zimmer anbieten als auf der Plattform. Ist jetzt alles gut?

Michaela Reitterer: Wir haben wieder die Freiheit zu verkaufen wie wir möchten. Das heißt nicht, dass Booking.com nicht ein wunderbares Verkaufsinstrument ist, das man außer Acht lassen soll. Aber falsch wäre es auch, in die Knie zu gehen, weil das Unternehmen auf den Fall der Bestpreisklausel mit neuen Forderungen reagieren könnte.

Sprich: Angst ist keine Lösung?

Booking.com wird natürlich etwas machen. Das muss es auch. Das Unternehmen gehört Priceline, wo milliardenschwere Investoren sitzen, die auf Wachstum drängen. Von denen lasse ich mich als kleines Hotel in Österreich aber zu nichts zwingen: Ich vertreibe selbst über Booking.com, versuche aber gleichzeitig, den Anteil der Buchungen auf meiner Hotelwebsite zu steigern.

Wie?

Blogs, soziale Medien – das alles hilft, um sichtbar zu werden. So versuchen wir, Direktbuchungen zu generieren. Es geht darum, Geschichten zu erzählen. Häuser, die keine Geschichten zu erzählen haben außer jener vom Preis, haben ein Problem.

Bei einem anderen digitalen Thema, dem Umgang mit Airbnb, scheint die Politik auf der Seite der Hotels zu stehen.

Ich glaube nicht, dass der Staat – beziehungsweise die fünf Bundesländer, die Regulierungen haben – die Hoteliers im Auge haben, sondern die Vielzahl an Wohnungen, die dadurch vom Markt gezogen werden. Und es geht um unbezahlte Steuern. Nur jeder fünfte Airbnb-Vermieter zahlt Steuern. Das ist Geld, das dem Finanzminister entgeht.

Aber es geht doch auch um Wettbewerbsverzerrung.

Ja, das auch. Ich habe per se nichts gegen den Ausgangsgedanken, dass man im Urlaub seine Wohnung vermietet. Aber davon entfernt es sich, wenn ganze Etagen für die Vermietung über Airbnb gekauft werden. Dass die Stadt Wien hier federführend handelt, ist lobenswert. Aber ich würde mir wünschen, dass man dem Vorbild anderer Städte noch stärker folgt.

Wie dem von Berlin, wo seit vergangenem Jahr ein Bußgeld von 100.000 Euro verhängt werden kann?

Mir geht es nicht um Strafen. Ich möchte, dass alle verstehen, dass man für jede Leistung Steuern zahlen muss. Das beginnt bei der Vermittlungsleistung des Airbnb-Konzerns und der Frage, ob diese nicht in Österreich versteuert gehört. Das ist die viel größere Wettbewerbsverzerrung.

Ihre Alternative zu Bußgeldern?

In London gibt es eine gesetzliche Höchstgrenze von 90 Tagen bei der Vermietungsdauer. Der Tagesstand wird auch auf Airbnb angezeigt. Damit wären wir wieder bei dem Ausgangsgedanken, die Wohnung für zwei, drei Monate im Jahr während des Urlaubs zu vermieten.

Ein anderes Thema ist der Lehrlingsmangel. Den Platz auf der Mangelberufsliste für Köche und Kellner konnte die Branche nicht durchsetzen.

Wir haben es nicht auf die Liste geschafft, aber ich glaube, dass das nur eine Frage der Zeit ist. Der Tourismus hat auch 2016 die meisten Arbeitsplätze in Österreich geschaffen. Die Politiker haben verstanden, dass der Tourismus der Jobmotor Österreichs ist.

Als dieser wurde er zumindest am Freitag wieder von Minister Mitterlehner gelobt.

Trotzdem haben wir mit dem Lehrlingsmangel in den Bundesländern, der Landflucht und dem demografischen Wandel zu kämpfen. Die Politik muss den Tourismus stärken, nicht eine Umsatzsteuererhöhung beschließen. Sie kann nicht immer nur auf steigende Nächtigungszahlen verweisen. Ohne Tourismus ist in den Tälern nichts mehr. Und die Lehrlingszahlen im Westen sinken.

Ganzjahrestourismus wird als Antwort auf Landflucht und Fachkräfteschwund genannt.

Das sagen wir seit Jahren. In Zeiten des Klimawandels müssen die Hotels in tieferen Lagen schauen, sich ganzjährig zu positionieren. Die, die gut sind, haben bereits teilweise in der Nebensaison reüssiert. Aber das ist nichts, was man sofort in großem Stil ausrollt, sondern ein paar Jahre testet.

Woher kommt der Imageschaden der Branche?

Wir haben eine Gewerkschaft, die – als einzige in Österreich – dauernd ihre eigene Branche schlechtmacht. Alle paar Wochen liest man, wie furchtbar es im Tourismus ist. Es gibt natürlich auch bei uns schwarze Schafe. Aber deshalb die ganze Branche zu verunglimpfen ist unfair gegenüber allen, die es gut machen. Die Gewerkschaft sollte sich für Lohnnebenkosten- und Steuersenkungen aussprechen, anstatt nur zu fordern, dass mehr bei den Mitarbeitern ankommt. Denn da gebe ich ihnen recht: Bei den Mitarbeitern kommt zu wenig an.

Zur Umsatzsteuererhöhung von 2016 meinte Mitterlehner am Freitag, diese könne problemlos an die Gäste weitergegeben werden, solange das Hotel nicht das Preisfeld anführt.

Wenn wir das könnten, hätten wir es schon lang gemacht. Da sind erstens die vielen Hotels, die keine Geschichte zu erzählen haben, sondern über den Preis verkaufen. Zweitens werden unsere Preise durch das Internet nicht nur mit dem Nachbarhaus, sondern mit Prag und Budapest verglichen. Da tut man sich mit einer Erhöhung um drei Prozent sehr schwer. Und drittens gibt es nicht nur Wien und den Arlberg, wo den Leuten der Zimmerpreis eher egal ist.

Apropos testen: Wie will Österreich zukünftige Herkunftsmärkte erproben?

Wenn wir international reüssieren wollen, braucht die Österreich Werbung (ÖW) mehr Geld. Das Budget von 50 Mio. Euro wurde seit 2000 bis auf ein einmaliges Sonderbudget von vier Millionen 2016 nie aufgestockt. Damit richte ich nichts aus, wenn ich einen Markt wie China oder Südkorea erschließen will. Ich kann das Wirtschaftsministerium und die Wirtschaftskammer nur inständig um eine Aufstockung bitten. Es ist höchste Zeit.

ZUR PERSON

Michaela Reitterer leitet das Boutique-Hotel Stadthalle in Wien. Sie ist seit 2013 die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). Als solche ist sie die Schirmherrin des jährlich stattfindenden ÖHV-Kongresses.

Bei dem dreitägigen Branchentreffen kommen 600 Hoteliers, Gastronomen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft zusammen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2017)

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