„Grüner“ Stahl ganz ohne CO2

Am Hochofen
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Voest, Verbund und Siemens bauen eine Pilotanlage, mit der aus Ökostrom statt Kohle sauberer Wasserstoff erzeugt wird. Die EU fördert das Vorzeigeprojekt.

Wien. Die Vorgaben der EU sind hoch: Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß um 40 Prozent, bis 2050 sogar um 80 Prozent sinken. Für die Stahlindustrie, seit jeher Großemissionär, ist es eine besondere Herausforderung, dieses Klimaziel zu erreichen. Schlichtweg hängt davon, wie Voestalpine-General Wolfgang Eder betont, die Zukunft der europäischen Stahlindustrie ab. Der Linzer Konzern, der in den letzten zehn Jahren schon rund 2,2 Mrd. Euro in Umweltanlagen gesteckt hat und zum Vorbild für die gesamte Branche geworden ist, geht auch jetzt bei einer neuen Technologie voran. Die Voest errichtet in Kooperation mit dem Verbund und Siemens in Linz eine der weltweit größten Wasserstoff-Elektrolyse-Pilotanlagen mit sechs Megawatt Leistung.

Die EU fördert das 18 Mio. Euro teure Projekt, das zwischen den Hochöfen und dem Stahlwerk gebaut wird, mit zwölf Mio. Euro. Weil es „eines unserer Flaggschiff-Projekteist“, sagte Executive Director Bart Biebuyck von der EU-Kommission am Dienstag. Weltweit werde beobachtet, was hier in Österreich entwickelt werde.

Bei „H2Future“, wie das Pilotprojekt heißt, geht es schlichtweg darum, aus erneuerbarer Energie – die hierzulande in Form von Wasser und Wind vorhanden ist – mittels Elektrolyse „grünen“ Wasserstoff zu erzeugen. Dieser soll dann direkt in einem industriellen Prozess, konkret der Stahlerzeugung, eingesetzt werden. Was bedeutete, dass Stahl komplett CO2-frei produziert werden könnte. Derzeit wird der industriell eingesetzte Wasserstoff nahezu gänzlich mittels eines CO2-lastigen Gastransformationsprozesses hergestellt.

Texas spielt Vorreiterrolle

Siemens liefert mit der PEM-Elektrolyseanlage die Schlüsseltechnologie für das Forschungsprojekt, berichtete Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun. Forschung und Erprobung sind auf vier Jahre angelegt, dann soll die Anlage in den Stahlproduktionsprozess integriert werden. Mit an Bord bei der Forschung sind die Verbund-Tochter APG und die wissenschaftlichen Partner K1-MET und ECN.

Derzeit erzeugt die Voest aus Koks und Kohle Gas und daraus Strom. „Wir sind zwar zu mehr als 90 Prozent stromautark, aber der Vorgang ist nach wie vor sehr CO2-intensiv“, betonte Eder. In der neuen Anlage in Texas, die zuletzt durch die Kostenexplosion Schlagzeilen machte, werden bereits zum Teil Kohle und Koks durch Erdgas ersetzt. Damit wird eine CO2-Reduktion von 40 Prozent erreicht. „Darauf aufbauend könnte in einem nächsten Schritt Erdgas durch Wasserstoff ersetzt werden“, erklärte Eder.

Bis dahin wird es allerdings 15 bis 20 Jahre dauern. Denn auf dem Weg zum „grünen“ Stahl aus „grünem“ Wasserstoff gibt es eine große Hürde: „Wir haben die entsprechende Technologie noch nicht, wir kennen zwar die Richtung, aber der Schlüssel für das Gesamtkonzept fehlt uns“, räumte Eder offen ein. Derzeit sei eine Technologieumstellung in der Stahlerzeugung „weder wirtschaftlich noch technisch darstellbar“. Der Voest-Chef warnte in diesem Zusammenhang vor der in Österreich weit verbreiteten Skepsis. „Wenn wir immer nur zweifeln, werden wir nie den Durchbruch schaffen und gegen die Konkurrenz in Asien und Südamerika verlieren. Wir sind aber überzeugt, dass wir es schaffen“, betonte Eder.

Österreich und Europa seien „Vorreiter gegenüber anderen Weltgegenden wie Asien und USA“, ergänzte Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber. Er befürwortet die Dekarbonisierungsstrategie der EU – unter der Voraussetzung, dass sie nicht zu einer Entindustrialisierung führt.

Für Anzengruber hat die Erzeugung von Wasserstoff aus Ökostrom noch aus einem weiteren Grund Charme: Es gebe nur eine Umwandlungsstufe, weshalb sich der Wirkungsgrad deutlich erhöhe (am höchsten ist er in einem Pumpspeicher, da beträgt der Verlust nur 20 Prozent).

Um tatsächlich „grünen“ Stahl zu produzieren, braucht es freilich auch genügend Ökostrom – und dann entsprechend viel Wasserstoff. Würde die Voest ihre gesamte auf Koks und Kohle basierte Stahlproduktion umstellen, bräuchte sie 33 Terrawattstunden Ökostrom. Zum Vergleich: Das entspricht der Jahresleistung von 33 Kraftwerken. Diese Menge gibt es nicht – noch. Denn laut Biebuyck soll sich laut EU der Anteil der Erneuerbaren verdrei- bis vervierfachen.

Auf die Frage, ob „H2Future“ ebenso bahnbrechend wie das hierzulande entwickelte LD-Verfahren für die Stahlerzeugung sein könnte, bremste Eder: „Mit Vergleichen sollte man vorsichtig sein – das LD-Verfahren war ein historischer Wurf.“ Was dabei herauskommt, werde das Pilotprojekt zeigen. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2017)

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