Konzern schmierte ganz Südamerika

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TOPSHOT-PERU-BRAZIL-CORRUPTION-ODEBRECHT-TOLEDO(c) APA/AFP/ERNESTO BENAVIDES
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Nach dem Geständnis des brasilianischen Baukonzerns Odebrecht, große Schmiergeldbeträge verteilt zu haben, stehen Regierungen in zwölf Ländern unter Verdacht.

Für lateinamerikanische Zungen ist es ein komplizierter Name, doch jetzt geht er den meisten Nachrichtensprechern südlich von Texas leicht über die Lippen: „Odebrecht“ stand lange für den größten Baukonzern der Region mit Sitz in Brasilien. Nun ist er Synonym für einen Korruptionsskandal, der nationale und ideologische Grenzen überschreitet.

Fortschrittliche wie konservative, jetzige wie frühere Regierungschefs stehen im Verdacht, der Construtora Norberto Odebrecht Großaufträge zugeschanzt zu haben, vergolten mit Geld auf Offshore-Konten, an Strohleute und Wahlkampfleiter. Betroffen sind die Regierungen von Brasilien, Argentinien, Panama, Kolumbien, Venezuela, der Dominikanischen Republik und Angola in Afrika. Zudem gestand der Konzern Zahlungen nach Mexiko, Guatemala, Ecuador, Peru und Moçambique.

Perus Ex-Präsident abgetaucht

Am Donnerstag erließ Perus Justiz Haftbefehl gegen Ex-Präsident Alejandro Toledo (2001 bis 2006), der von Odebrecht mit 20 Millionen Dollar geschmiert worden sein soll. Auch Nadine Heredia, Frau von Ex-Präsident Ollanta Humala (2011–16) wird verdächtigt, drei Mio. Dollar für den Wahlkampf ihres Gatten angenommen zu haben. Alan García, der zwischen Toledo und Humala regierte, steht auch im Zwielicht. Die drei Ex-Präsidenten streiten alles ab, Toledo (70) indes tauchte in den USA unter und soll versuchen, nach Israel zu fliehen.

Über Argentiniens Geheimdienstchef Gustavo Arribas sagt ein brasilianischer Geldwäscher, er habe 2013 fast 600.000 Dollar auf ein Schweizer Konto des früheren Fußballspielervermittlers Arribas überwiesen, der seinen Agentenjob der Freundschaft mit Argentiniens Präsident Mauricio Macri (seit 2015) verdankt. Das weckt Verdacht, denn die Zahlungen kamen zugleich mit dem Zuschlag für ein Bauprojekt in Buenos Aires. Dessen Bürgermeister war damals Macri.

Kolumbiens Justiz prüft, ob 2014 eine Million Dollar in den Wahlkampf von Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos floss. Odebrecht gab die Zahlung von 4,6 Millionen Dollar an einen Santos-nahen Senator zu, dafür gab es den Zuschlag für einen Teil der Schnellstraße Ruta del Sol. Gab der Senator auch Geld weiter in die Kampagnenkasse? Kolumbiens Wahlbehörde ermittelt zudem, ob auch Santos' damaliger Gegenkandidat Geld bekam. Ein früherer Vizeverkehrsminister soll als Zuständiger für die Vergabe von Konzessionen 6,5 Mio. Dollar von Odebrecht bekommen haben.

„Beispiellose Korruption“

Der Konzern mit deutschen Wurzeln baute seinen Erfolg auf Staatsnähe. In Brasilien werkte er für Militärs, liberale Regierungen und den heute verblassten Stern des Linken Lula da Silva. Unter ihm vollzog sich die Internationalisierung des Geschäftsmodells, oft finanziert von der Entwicklungsbank BNDES, die Klein- und Mittelbetrieben helfen sollte. Eine zweite Stütze waren Lulas Strategen João Santana und dessen Frau, Monica Moura, die zweimal Lula und Dilma Rousseff zu Präsidenten machten und erfolgreiche Wahlkämpfe sechs weiterer Präsidenten in Venezuela, Peru, El Salvador, Panama, Angola und der Dominikanischen Republik planten. Bezahlt (auf ein Schweizer Konto) wurden die Wahlkämpfe von Odebrecht. Am 2. Februar wurde das Paar wegen Geldwäsche zu je acht Jahren und vier Monaten Haft verurteilt.

Ein „beispielloses Korruptionsschema“ sah die US-Justiz, nachdem sie im Dezember mit Schweizer und brasilianischen Behörden Odebrecht gezwungen hatte, zu gestehen. Mehr als 788 Mio. Dollar wurden an Politiker in zwölf Ländern verteilt, so der Konzern, der mit 3,5 Milliarden Dollar Strafe die Sache klären durfte. Doch für viele Geschäftspartner fingen die Probleme an, denn in einigen Ländern starteten Ermittlungen, obwohl die Empfängernamen (gelistet in einer geheimen Aussage von 77 Managern) noch nicht publik sind.

Linkspopulisten lieben Dollars

Besonders aktiv war die Justiz in Peru. Im linkspopulistisch regierten Venezuela, wo Odebrecht 98 Mio. Dollar verteilte, ließ man sich Zeit. Erst fünf Wochen nach Publikwerden des Bekenntnisses gab die Staatsanwaltschaft bekannt, zu ermitteln. 40 Projekte bekam Odebrecht in Venezuela übertragen, viele sind unvollendet.

LEXIKON

Der Odebrecht-Konzern wurde im Kern 1944 in Salvador de Bahia (Brasilien) von Norberto Odebrecht (1920–2014) gegründet. Schon sein Vater Emílio war Bauunternehmer, Großvater Emil Odebrecht (1835–1912) wanderte 1856 aus Pommern in den Süden Brasiliens ein und war dort als Ingenieur und Landvermesser tätig. Heute beschäftigt der Konzern mehr als 128.000 Menschen in etwa 30 Ländern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2017)

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