Der steinige Weg aus der Krise

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Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Wirtschaft erholt sich. Europas Weg aus der Krise führt aber nur über Schuldenabbau und Strukturreformen.

1. Nimmt die Wirtschaft in Europa genügend Fahrt auf, um von einer Trendwende sprechen zu können?

„Es gibt keinen Grund, in Euphorie auszubrechen“, sagt Axel Weber im „Presse“-Exklusivinterview. Laut dem Verwaltungsratspräsidenten der Schweizer Großbank UBS und früheren Präsidenten der Deutschen Bundesbank befindet sich die europäische Wirtschaft in der Phase der Stabilisierung. Die Wirtschaft in der Eurozone soll heuer um 1,6 Prozent und 2018 um 1,8 Prozent wachsen, die Arbeitslosigkeit sinkt und wird nächstes Jahr EU-weit unter die Acht-Prozent-Marke rutschen. Auch in Österreich deuten viele Indikatoren leicht nach oben. Die Industrieproduktion legte im Vorjahr um 1,9 Prozent zu. Die Wirtschaft soll heuer und nächstes Jahr allerdings unterdurchschnittlich um 1,6 Prozent wachsen.

Wir haben in Europa also noch immer historisch niedrige Werte, aber sie könnten eine Trendwende markieren. „Die hohe Unsicherheit beginnt sich erst langsam aufzulösen“, attestiert das frühere EZB-Mitglied Weber. In Frankreich etwa ist die Konsumlaune so hoch wie zuletzt 2007. Die Angst vor dem Jobverlust schwindet allmählich.

BIP-Wachstum
BIP-Wachstum(c) Die Presse

2. Wie nachhaltig erholt sich der Arbeitsmarkt in Europa? Warum ist die Arbeitslosigkeit in den USA um so vieles niedriger?

Wenn die Arbeitslosenquote in Europa nächstes Jahr von 8,1 auf 7,8 Prozent sinken wird, dann ist das ein Schritt in die richtige Richtung, aber gemessen an den USA äußerst bescheiden. In den USA liegt die Arbeitslosigkeit bei 4,6 Prozent. In vielen Regionen herrscht de facto Vollbeschäftigung. Hingegen galten in Ländern wie Griechenland, Spanien oder Italien fast zweistellige Arbeitslosenraten seit jeher als Normalität. Im Zuge der Krise kletterten diese auf 30 Prozent. Das Beispiel Deutschland zeigt, dass ohne strukturelle Reformen die Arbeitslosigkeit nicht bekämpft werden kann. Deutschland wies von 2003 bis 2006 immer eine Arbeitslosenquote von über zehn Prozent aus. Der „kranke Mann Europas“ unterzog sich allerdings einer Radikalkur. Arbeitsmarktreform, niedrige Lohnabschlüsse und Budgetdisziplin sorgten dafür, dass die Arbeitslosigkeit nun bei 4,1 Prozent liegt. In Italien ist die Wirtschaft seit 15 Jahren nicht gewachsen, sagt Weber. Jene in den USA liegt wieder 15 Prozent über dem Vorkrisenniveau.

Arbeitslosenreite
Arbeitslosenreite(c) Die Presse

3. Welche Gefahren lauern in Europa auf dem Weg aus der Krise? Wie reagiert die EZB darauf?

Die massive Verschuldung der Euroländer und die nach wie vor nicht überwundene Bankenkrise bergen für viele Experten das größte Risiko auf dem Weg zur wirtschaftlichen Genesung. Heuer dürfte die Staatsverschuldung im Euroraum bei 90,4 Prozent des BIPs liegen, nächstes Jahr nur unwesentlich auf 89,2 Prozent sinken. Die niedrigen Zinsen und das massive Anleihenkaufprogramm der EZB führen dazu, dass sich die Länder billig verschulden können, und bietet wenig Anreize für Reformen. Erst am Freitag erklärte EZB-Chefvolkswirt Peter Praet, dass Konjunkturstützen weiterhin nötig seien. Der Belgier begründete dies mit möglichen „politischen Unfällen“, die im Superwahljahr 2017 etwa in Frankreich mit der rechtsextremen Marine Le Pen drohen.

Verschuldung
Verschuldung(c) Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2017)

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