Wie China fremde Firmen ausbremst

Chinesischer Arbeiter, Symbolbild.
Chinesischer Arbeiter, Symbolbild.(c) REUTERS (ALY SONG)
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China-Quote, Zwang zum Technologie-Striptease und ein großer Sack voll Geld. Pekings Zukunftsstrategie "Made in China 2025" diskriminiert Europas Unternehmen.

Wien. Wenn Chinas Premier Xi Jinping ans Mikrofon tritt, konnten sich Europas Wirtschaftsvertreter zuletzt auf Schmeicheleien einstellen. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos lobte er den Freihandel der EU in den höchsten Tönen. Etwas später versprach er hoch und heilig, die Wirtschaft im Land endlich zu reformieren und ausländische Unternehmen selbstverständlich ganz genauso behandeln zu wollen wie inländische. Doch wirklich freuen kann sich darüber in Europa kaum noch jemand.

Zu groß ist die Dissonanz zwischen Versprechen und Realität in China geworden. Am Dienstag fasste die europäische Handelskammer dieses Ungleichgewicht in Zahlen und Fakten. Pekings Zukunftsstrategie „Made in China 2025“ sei höchst problematisch und diskriminierend, Europas Unternehmen stünden unter großem Druck, Innovationen an ihre chinesischen „Partner“ auszuhändigen, heißt es in der 68-seitigen Studie.

Industrie ist groß, nicht stark

Das Machwerk liest sich wie das Einmaleins des staatlichen Protektionismus: China-Quoten, Milliardenförderungen, zwangsverordneter Technologietransfer. Alles scheint erlaubt, um China aus seinem Schattendasein unter den Industriemächten zu befreien. Die Volksrepublik ist heute zwar eine der größten Produktionsmaschinen weltweit, aber eben nicht wirklich eigenständig. Zwar kommt eine Vielzahl der Handys, Computer oder Autos aus dem Reich der Mitte (siehe Grafik). Doch die Industrie ist auf Gedeih und Verderb auf das Know-how der westlichen (oder japanischen und südkoreanischen) Firmen angewiesen. Die eigene Forschungsquote ist schwach, bei der Automatisierung der Produktion liegt das Land weit abgeschlagen auf den hinteren Rängen. „Chinas Möglichkeiten zur indigenen Innovation sind schwach“, räumte Xi Jinping schon 2014 ein. Mit „Made in China 2025“ soll sich das ändern. Das Land will mehr Qualität liefern. Und damit das gelingt, greift es kräftig in die Trickkiste.

Erstes Werkzeug: die China-Quote. Ab 2020 sollen 40 Prozent aller verbauten Grundkomponenten aus China kommen. Fünf Jahre später schon 70 Prozent. Aber Peking geht weiter. 80Prozent der Elektroautos ausländischer Hersteller müssen 2025 aus chinesischer Produktion stammen, dasselbe Ziel gilt für Wind- und Solaranlagen, bei Robotern sollen es 70 Prozent sein. Die große Sorge der Europäer: Ihre Unternehmen sollen so nicht nur aus dem Markt gedrängt werden, sondern vorher auch noch ihr Wissen abgeben.

China-Quote und Einkaufstour

Entsprechende Gesetze hat Peking zum Teil bereits erlassen. So sollen fremde Autobauer künftig „beweisen“ müssen, dass sie alle notwendigen Technologien für den Bau von Elektrofahrzeugen beherrschen, bevor sie in eine „Zwangsehe“ mit einem lokalen Partner gedrängt werden. Wer die eigenen Patente lieber nicht als Mitgift auf den Tisch legen will, muss eben auf den Wachstumsmarkt China verzichten. Ähnlich, wenn auch weniger streng, sind die Zugangsvoraussetzungen für Batteriehersteller.

In der Telekom- und IT-Branche befürchtet die europäische Handelskammer großflächige Verstaatlichungen. Das könnte für westliche Unternehmen besonders heikel werden. Können sie ihren Provider oder Cloudanbieter nicht mehr frei wählen, seien Geschäftsgeheimnisse rasch gefährdet.

Und was China nicht im eigenen Land holen kann, das kauft es eben zu. Nicht weniger als 780 Staatsfonds sind derzeit unterwegs, um technologische Leckerbissen zusammenzukaufen. Geld spielt keine Rolle: Zusammen verfügen sie über 294Milliarden Euro. In den vergangenen beiden Jahren hat China vor allem in Europa zugegriffen, die Investitionen stiegen 2016 um 77 Prozent auf 35Milliarden Euro. Umgekehrt investierten die Europäer gerade einmal ein Viertel dessen in der Volksrepublik.

Hoffnung auf einen internationalen Schulterschluss gegen Chinas Protektionismus gibt es nicht. In den USA fährt Donald Trump eine ganz ähnliche Strategie. Und der Rest der Industrienationen duckt sich weg. Jahrelang haben die G20 dem Protektionismus offiziell abgeschworen. Im ersten Entwurf für das Abschlussdokument des G20-Treffens kommende Woche ist das Thema keine Erwähnung mehr wert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2017)

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