Ein Fünftel mehr Arbeitslose, keine Trendwende in Sicht

(c) AP (Franka Bruns)
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Die Arbeitslosigkeit in Österreich steigt auf 6,8 Prozent an, 6145 Menschen suchen derzeit eine Lehrstelle. Der Anstieg bei der Arbeitslosigkeit ist erstmals seit Jänner unter 50.000 gesunken.

Wien (b.l.). Die Arbeitslosigkeit in Österreich wächst. Der Anstieg fiel allerdings im Oktober mit 21,1 Prozent im Jahresvergleich schwächer aus als in den Monaten davor. Ökonomen sehen dennoch keine Trendwende und rechnen mit einer weiteren Verschlechterung, wenn die Krise von der Industrie auf den Dienstleistungssektor überschwappt.

Konkret waren Ende Oktober 245.523 Menschen auf Jobsuche. 73.797 weitere saßen in Schulungen. Inklusive Schulungsteilnehmer betrug der Zuwachs seit Oktober des Vorjahres 24,1, ohne diese 21,1 Prozent. Das ist flacher als in den Monaten davor: Im vergangenen Juni waren noch um 33 Prozent mehr Personen auf Jobsuche als ein Jahr davor. In den darauffolgenden Monaten flachte der Anstieg kontinuierlich ab.

Das freut Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ): „Der Anstieg der Arbeitslosigkeit konnte weiter deutlich gedämpft werden“, stellte er fest. Bei der Opposition sieht man das anders: Die Krise werde „schöngeredet“, meint die grüne Arbeitnehmersprecherin Birgit Schatz. FPÖ-Arbeitnehmersprecher Herbert Kickl sieht eine „katastrophale Arbeitslosenbilanz“.

Auch Wirtschaftsforscher erkennen noch keine Trendwende – obwohl die Lage weniger schlimm ist, als die Ökonomen vor einem halben Jahr erwartet haben. Ursprünglich hat man befürchtet, dass die Industriekrise schon diesen Herbst auf den Dienstleistungssektor überschwappen werde. „Die Möglichkeit, dass das passiert, besteht noch immer“, sagt Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte am Institut für Höhere Studien (IHS). So könnte der Konsum nachlassen, wenn die Krise länger dauert. Das würde Handel und Tourismus treffen. Derzeit liegt der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Tourismus mit 8,5 Prozent unter dem Schnitt, im Handel mit 22Prozent im Schnitt. Stark (plus 55 Prozent) ist er nach wie vor in der Sachgütererzeugung.

Produktivität stark gesunken

Ein zweiter Grund, warum die Trendwende noch nicht da sein dürfte: Die Betriebe haben auf den Einbruch der Produktivität noch kaum mit dem Abbau von Jobs reagiert. Hofer rechnet vor: Das Bruttoinlandsprodukt dürfte heuer um drei bis vier Prozent schrumpfen, die Beschäftigung aber nur um zwei Prozent. Hier könnte es einen Nachzieheffekt geben.

Hinzu kommt, dass die Krise derzeit durch Kurzarbeit und Steuerreform gemildert werde. Der Experte glaubt daher, dass die Arbeitslosigkeit bis Ende 2011 steigen wird. Im Jänner und Februar könnte die Situation aber besser aussehen, weil der Winter im Vorjahr streng war. Kann am Bau länger gearbeitet werden, ergibt sich im Jahresvergleich ein besseres Bild. Danach dürfte der Anstieg weitergehen.

Auch Wifo-Expertin Hedwig Lutz rechnet mit einem weiteren Zuwachs der Arbeitslosigkeit – selbst dann, wenn ein zweiter Krisenschub ausbleiben sollte. Allerdings werde der Anstieg flacher ausfallen, da die Arbeitslosigkeit bereits vor einem Jahr hoch war. Die Lage im Dienstleistungsbereich könnte dadurch gemildert werden, dass mehr Personen im Unterrichtssektor und in der Kinderbetreuung eingestellt werden.

Sollte die Auftragssituation für die Unternehmen aber anhaltend schlecht bleiben und es zu einer weiteren Pleitenwelle kommen, werde auch der Anstieg der Arbeitslosigkeit wieder deutlich höher ausfallen als im Oktober.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2009)

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