Pünktlich zur Veröffentlichung der gesunkenen Arbeitslosenzahlen besuchte Christian Kern das Arbeitsmarktservice im fünften Bezirk in Wien. Nicht alle waren begeistert.
Montag, 8 Uhr früh, in der Redergasse 1. Frauen und Männer, Junge und Alte, warten mit Klarsichtfolien voller Formulare auf Einlass ins Arbeitsmarktservice (AMS). Dazwischen packen Kameraleute und Fotografen ihre Technik aus. Denn heute hat sich hoher Besuch angekündigt – und da ist er auch schon: Schnellen Schrittes schreitet Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) durch die Tür, schüttelt Hände, klopft Schultern und lächelt in die Kameras. Schließlich bringt Kern gute Kunde: Erstmals seit mehr als fünf Jahren ist die Arbeitslosigkeit im März deutlich gesunken. "Unsere Maßnahmen greifen, die Konjunktur zieht an", sagt Kern gegenüber Journalisten.
AMS-Wien-Chefin Petra Draxl führt Kern durch die Räumlichkeiten, vom Schalter im Erdgeschoss geht es bis hinauf ins Dachgeschoss, wo die Beratungstermine stattfinden. Eine AMS-Beraterin erklärt dem Kanzler, dass sie nur 15 Minuten pro Kunde zur Verfügung hat. "Ist das genug?", fragt sich Kern. Man versuche laufend die Prozesse zu optimieren und die Zeitressourcen optimal einzusetzen, erklärt Draxl.
"Sie schauen eh noch gut aus"
Für die wartenden Arbeitslosen hat Kern gut gemeinte Worte parat. Einem 28-Jährigen aus der Gastronomiebranche sagt er: "Ich habe gehört, in Tirol suchen sie genau in Ihrem Bereich nach Leuten." Und zu einem 60-jährigen Arbeiter: "Sie schauen eh noch gut aus." Neben der Integration von Ausländern sieht Kern die Beschäftigung älterer Menschen als größte Herausforderung.
"Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist noch viel zu hoch. Deswegen ist das wichtigste Projekt der Bundesregierung die Arbeitslosigkeit zu senken", sagt der SPÖ-Chef. Sein Hauptaugenmerk bei der Bekämpfung will Kern auf den Beschäftigungsbonus legen, der Teil des kürzlich überarbeiteten Koalitionsabkommens ist und ab Juli gelten. soll. Der Bonus sieht vor, dass Unternehmen, die zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, in den nächsten drei Jahren 50 Prozent der Lohnnebenkosten erstattet bekommen. Zwei Milliarden Euro will sich das die Regierung kosten lassen. Mit der Maßnahme sollen nicht nur neue Jobs geschaffen werden, sondern auch der Zuzug von osteuropäischen Arbeitskräften eingeschränkt werden.
In der Redergasse im fünften Bezirk ist der Zauber nach einer halben Stunde vorbei. Er habe hier im AMS mit lauter motivierten Menschen gesprochen, beteuert Kern noch vor Journalisten. "Hinter jedem dieser Schicksale stehen Familien – Ich halte ihnen die Daumen". Dann muss er weiter zum nächsten Termin. Die Warteschlange ist mittlerweile wieder etwas länger geworden. Was halten die Arbeitslosen vom Kanzler-Besuch? "Das ist in Ordnung, er ist auch nur ein Mensch", meint einer schulterzuckend. "Überhaupt nichts", sagt ein anderer junger Mann. Dann muss er los - der Schalter ist frei.