Studie: Immer mehr Chefs gehen wegen Fehlverhaltens

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Die Zahl der Firmenchefs, die aufgrund moralischer Fehltritte zurücktreten mussten, ist in den vergangenen Jahren in Westeuropa um 41 Prozent gestiegen. Die Ergebnisse für Österreich geben die Studienautoren nicht bekannt.

Wien. „Die größten Gefahren für einen Chef sind Macht, Schmeicheleien, Geld und Sex.“ Das sagte vor Kurzem Daniel Vasella, Ex-Chef des Schweizer Pharmakonzerns Novartis, der Zeitung „Blick“. Vasella hat viele Jahre an der Spitze von Novartis gearbeitet und war einer der bekanntesten Spitzenmanager in der Schweiz. Seinen Worten zufolge gibt es immer wieder Chefs, die an Affären scheitern. „Wenn man dauernd unterwegs ist, dauernd arbeitet, stellt sich die Frage, wo man Zuneigung und Zärtlichkeit erhält“, so Vasella. Das könne dazu führen, dass man eine Liebschaft innerhalb der Firma eingehe. „Der Chef fühlt sich begehrt, meint, er sei wahnsinnig toll – und merkt nicht, dass dies nur seiner Funktion gilt.“

Bei Vasella gab es kein moralisches Fehlverhalten. Seine Aussagen über Macht, Geld und Sex passen aber zu einer am Montag vorgestellten Studie von Strategy&, der Strategieberatung von PricewaterhouseCoopers (PWC). Die Experten nehmen jedes Jahr die Neubesetzungen bei den Chefsesseln der größten börsenotierten Unternehmen unter die Lupe. Für die Studie wurden rund 2500 Konzerne untersucht.

Dazu gehörten 300 Firmen im deutschsprachigen Raum. Ein Schwerpunkt der diesjährigen Studie waren die Abgänge von Firmenchefs aufgrund moralischer Fehltritte. Darunter verstehen die PWC-Experten unangemessenes beziehungsweise kriminelles Verhalten wie Betrug, Bestechung, Insiderhandel und sexuelle Indiskretionen des Chefs oder von Mitarbeitern, die zum Abgang des Vorstandsvorsitzenden geführt haben. Herausgekommen ist, dass in den vergangenen Jahren die außerplanmäßigen Rücktritte von Chefs aufgrund ethischer Verfehlungen deutlich gestiegen sind. Während im Zeitraum zwischen 2007 und 2011 weltweit 3,9 Prozent der CEOs ihren Posten wegen entsprechender Fehltritte räumen mussten, waren es in den Jahren zwischen 2012 und 2016 bereits 5,3 Prozent, was einem Zuwachs von mehr als einem Drittel (36 Prozent) entspricht.

Kritischer Blick der Öffentlichkeit

In Westeuropa kletterte der Anteil der wegen ethischer Entgleisungen vorzeitig entlassenen Generaldirektoren von 4,2 Prozent (2007 bis 2011) um 41 Prozent auf 5,9 Prozent (2012 bis 2016). In der Studie wurde nicht untersucht, ob es tatsächlich mehr ethische Fehltritte gibt oder ob solche heutzutage härtere Konsequenzen nach sich ziehen. „Laut unserer Einschätzung, basierend auf unseren persönlichen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Hunderten Unternehmen, ist es aber ganz klar, dass sich nicht das Verhalten der CEOs grundlegend geändert hat, sondern das Umfeld, in dem sie agieren“, sagte Harald Dutzler, Managing-Partner beim Wiener Büro von Strategy&.

Im Gegensatz zu früher werden Firmenchefs heute kritischer von der Öffentlichkeit beobachtet. Seit Beginn der Finanzkrise in den Jahren 2007/2008 sei die Öffentlichkeit misstrauischer und kritischer geworden, stellten die PWC-Experten fest. Auch werde ein Fehlverhalten immer weniger verziehen. Ein weiterer Grund sei die digitale Vernetzung. Negative Meldungen können heute blitzschnell über das Internet und die sozialen Medien verbreitet werden. Daraus kann sich ein sogenannter Shitstorm entwickeln.

Unter den 2500 Konzernen, die untersucht wurden, befinden sich auch die 30 größten börsenotierten Unternehmen in Österreich. Dazu gehören beispielsweise Erste Group, Raiffeisen Bank International, Verbund, Wiener Flughafen, Telekom Austria und OMV. Die „Presse“ wollte wissen, wie viele Spitzenmanager in Österreich in den vergangenen Jahren aufgrund moralischer Fehltritte gehen mussten. Dazu hieß es von den Studienautoren, dass es im Vorjahr in Österreich keinen Abgang aufgrund ethischer Verfehlungen gegeben habe. Zu den Daten in den Jahren davor könne man „leider keine nähere Auskunft geben“.

Kaum Frauen in Spitzenpositionen

Interessant sind weitere Studienergebnisse: Die Firmen im deutschsprachigen Raum weisen im internationalen Vergleich die niedrigste Fluktuationsrate an der Unternehmensspitze auf. Zudem stieg die durchschnittliche Verweildauer der Firmenchefs im deutschsprachigen Raum von 6,6 Jahren auf 7,8 Jahre. Die niedrige Fluktuation sei „vor allem auf einen starken Rückgang der außerordentlichen Vertragsbeendigungen, beispielsweise aufgrund schlechter wirtschaftlicher Performance, zurückzuführen“, sagte Dutzler von Strategy&. Schlecht sieht es bei der Frauenquote aus: 97 Prozent der im Vorjahr neu angetretenen CEOs im deutschsprachigen Raum waren Männer. Eine Ausnahme stellte die Vienna Insurance Group dar. Dort schaffte es mit Elisabeth Stadler eine Frau an die Konzernspitze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2017)

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