Steigende Kosten für Flüchtlinge und Pensionisten

Bernhard Felderer
Bernhard FeldererDie Presse
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Die Konjunktur brummt, die Zinsen sind niedrig und sogar die Schuldenquote sinkt, so der Fiskalrat. Aber die Flüchtlingskosten steigen an – und das Pensionssystem gehört reformiert.

Es sei ein unbeliebtes Thema, sagt Bernhard Felderer, der Chef des Fiskalrats. „Aber wir müssen ja über alle Punkte Bericht erstatten, die das Budget betreffen.“ Also: Die Flüchtlingskosten werden in diesem Jahr 2,4 Mrd. Euro betragen – so wie im vergangenen Jahr. 2018 werden sie auf 2,7 Mrd. Euro steigen. Denn, so Felderer: Ein großer Teil der rund 80.000 im Jahr 2015 gestellten Asylanträge werden wohl gestattet. „Diese Menschen müssen dann arbeiten, in die Schulung oder in die Mindestsicherung“, so Felderer.

Die Kosten für die Grundversorgung gehen deshalb zurück – während jene für Flüchtlinge in der Mindestsicherung im kommenden Jahr schon fast eine Mrd. Euro betragen werden. An diesem Punkt wird gelungene Integration zur staatlichen Sparmaßnahme: „Wenn wir die Menschen ein, zwei Jahre schneller in den Arbeitsmarkt bringen, erspart uns das große Mengen Geld“, so Felderer.

Erfahrungsgemäß sei das auch eine Frage der Herkunft: „Die Kroaten waren nach einem Jahr integriert. Bei den Menschen aus der Osttürkei sind viele noch in der zweiten Generation kaum integriert und oft arbeitslos.“

Die Integration wird auch deswegen zu einer wirtschaftlichen Herausforderung, weil 2020 jene Ausnahmen wegfallen, durch die es die EU erlaubt, Kosten für die Flüchtlinge und die Terrorismusbekämpfung als „Einmaleffekte“ zu verstecken. Zumindest heuer und in diesem Jahr verschwinden so 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte aus dem offiziellen strukturellen Defizit. Damit ist es dann aber vorbei.

Und schon vorher müsse der ganze Budgetpfad weiter verengt werden, sonst droht sogar schon kommendes Jahr ein Blauer Brief aus Brüssel. Denn das vorgeschriebene strukturelle Defizit von 0,5 Prozent werde man schon 2018 um 0,1 Prozentpunkte überschreiten, so Felderer. Und zwar trotz Schummelerlaubnis bei den Flüchtlingskosten. Rechnet man die voll rein, wäre das strukturelle Defizit mit 0,9 Prozent fast doppelt so hoch wie vorgeschrieben.

Dazu kommen stark steigende Staatsausgaben von 2,2 Prozent heuer und 3,0 Prozent im kommenden Jahr. Schuld daran sind vor allem die Erhöhung der Subventionen und die Erhöhung der Pensionsausgaben.

Fallende Schuldenquote

Hier verlangt Felderer von der Politik Taten. „Länder wieSchweden, die Niederlande oder Deutschland sind beim Pensionsalter schon zwei bis vier Jahre vor uns. Die Anhebung des Pensionsantrittsalters ist die einzig sinnvolle Maßnahme, die auch politisch durchsetzbar ist. Das ist der Königsweg“, so Felderer. Sonst wären Kürzungen bei den Pensionen oder eine Erhöhung der Beiträge notwendig, was wohl für eine Revolte im Land sorgen würde.Die Politik warnt Felderer zusätzlich vor der Verteilung von „Wahlzuckerln“ – und erinnert an die Vergangenheit: „Da gab es Jahre, in denen wir tief in die Kasse gegriffen haben.“

Das dürfe diesmal nicht passieren: Erst recht, da Maßnahmen zur Konjunkturbelebung nicht mehr notwendig seien. Das ist die gute Nachricht: Die kommende Regierung kann von einer Phase der brummenden Konjunktur ausgehen – bei einer gleichzeitig sinkenden Staatsschuldenquote.

Das ist kein Tippfehler. Der Fiskalrat geht bis 2018 von einer Senkung der Schuldenquote auf 78,3 Prozent des BIP aus. Ohne Bankenrettung (Gesamtkosten unterm Strich laut Felderer 12 Mrd. Euro) könnten wir sogar in einer Welt leben, in der Österreich bald nur noch mit 71,1 Prozent des BIP verschuldet ist, rechnet Felderer vor. In absoluten Zahlen wird die Staatsverschuldung mit knapp unter 300 Mrd. relativ stabil bleiben. Aber auch das sei kein Problem, so Felderer, da die Verzinsung für österreichische Staatsanleihen ein historisch niedriges Niveau erreicht habe.

Segen für den Staatshaushalt“

Soll heißen: Die Märkte werfen uns das Geld einfach hinterher. Von einem Jahr zum nächsten zahlt die Republik für ihren Schuldenberg hunderte Millionen weniger an Zinsen. „Das ist ein Segen für den Staatshaushalt“, so Felderer – und würde auch das Problem der 2018 stark wachsenden Staatsausgaben abfedern – aber nicht lösen.

Freilich: Ohne Schulden würde es dem Land noch besser gehen. „Wenn wir gar keine Zinszahlungen hätten, würden wir sogar einen Überschuss von einem Prozent im Budget sehen“, so der ehemalige IHS-Chef Felderer. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2017)

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