Analyse

Die Nöte Afrikas machen erfinderisch

Afrika ist jung und bunt, aber es fehlt an wirtschaftlicher Dynamik. Die Investitionspartnerschaften sollen Abhilfe schaffen.
Afrika ist jung und bunt, aber es fehlt an wirtschaftlicher Dynamik. Die Investitionspartnerschaften sollen Abhilfe schaffen.(c) REUTERS (Finbarr O´Reilly)
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Garantien für Investoren, wenn der Partnerstaat für Rechtssicherheit sorgt: Berlin weist neue Wege für Afrika. Weil dort die Wirtschaft stagniert, wächst die Furcht vor Massenmigration.

Wien/Berlin. Keine Schokolade ohne Kakao. Drei Viertel der Bohnen kommt aus Afrika. Aber zur begehrten Süßigkeit veredelt und vermarktet werden sie ganz woanders. Nur drei Prozent der Wertschöpfung entfallen auf die Erzeuger der wichtigsten Ressource. Sie verharren am Anfang der Kette, und das heißt: Sie bleiben arm.

Mit diesem Beispiel zeigte die afrikanische Entwicklungsbank auf dem Afrikakongress in Berlin, woran es am schwarzen Kontinent mangelt: an unternehmerischem Elan und privaten Investitionen. Beides kann sich nicht entfalten, wo Korruption regiert und die Straßen voller Löcher sind. Hier setzen die Investitionspartnerschaften an, die Deutschland im Rahmen seiner G20-Präsidentschaft vorschlägt. Die führenden Industrienationen sollen diesen neuen Ansatz bei ihrem Gipfel in Hamburg Anfang Juli beschließen.

Die Maßnahmen, mit denen Berlin vorangeht, wirken bescheiden, weisen aber konkret in die anvisierte Richtung: Sorgt der Partnerstaat (aktuell Ghana, Elfenbeinküste und Tunesien) für mehr Rechtssicherheit, dann sichert der deutsche Staat die Investitionen seiner Unternehmen besser ab (der Selbstbehalt bei der Ausfallsbürgschaft reduziert sich auf die Hälfte und damit auf das für Schwellenländer übliche Maß). Umgekehrt können Kunden aus Afrika ihre Bestellungen zu einem festen Zins finanzieren.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) leistet Schützenhilfe: Er unterstützt reformwillige Staaten mit Beratung – etwa wie man Steuern eintreibt, mit denen sich dann auch neue Straßen finanzieren lassen: Industrieländer nehmen im Schnitt 40 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung an Steuern ein, in Entwicklungsländern sind es meist nur zehn bis 20 Prozent.

Hinter dem neu erwachten Interesse am ärmsten Kontinent steht freilich nicht die Hoffnung, an einem steilen Aufschwung zu partizipieren. Im Gegenteil: Dass Afrikas Wirtschaft 2016 wegen der einbrechenden Rohstoffpreise mit 2,2 Prozent so schwach wuchs wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr, ließ vor allem in Europa die Alarmglocken schrillen. Denn angesichts eines Bevölkerungswachstums von 2,7 Prozent hieß das: Die Afrikaner wurden noch ärmer. Und auch der heurige Ausblick für das BIP-Wachstum (plus 3,4 Prozent, so wie 2015) bedeutet pro Kopf kaum mehr als Stagnation.

Trügerische Armutszahlen

Für die immer mehr jungen Menschen bräuchte es jedes Jahr 20 Millionen neue Jobs. Viele zieht es die großen Städte. Was, wenn sie dort keine gute Arbeit finden? Der Mangel an wirtschaftlichen Perspektiven ist es, der sie zum gefährlichen Exodus übers Mittelmeer treibt. Sie zählen nicht zu den Ärmsten, sonst könnten ihre Familien die Mittel dafür gar nicht aufbringen. Wer echte Not leidet, wie aktuell viele in den Dürregebieten Ostafrikas, dem bleibt meist nur die Binnenflucht.

Auch die Zahlen zur Armut sind trügerisch: Zwar ging der Anteil der extrem Armen auch in Afrika zurück, nur langsamer als in Asien: von 54 Prozent im Jahr 1990 auf aktuell 41 Prozent. Aber durch das ungebremste Bevölkerungswachstum leben heute trotzdem mehr Afrikaner in extremer Armut als damals. Für sie muss es, wie der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller betont, weiter Hilfe im bisherigen Verständnis geben. Wie auch für Investitionen in Schulen, die sich privatwirtschaftlich nicht rentieren. Aber die Massenmigration nach Europa lässt sich damit nicht stoppen. Dafür braucht es mehr wirtschaftliche Dynamik – und das schon bald.

„Fairness statt Ausbeutung“

Der Handlungsdruck macht erfinderisch, das zeigt die deutsche Initiative. Aber auch mutig: Müller fordert Brüssel auf, Afrika einen besseren Zugang zum EU-Binnenmarkt zu ermöglichen. „Wir brauchen endlich fairen Handel statt kolonialer Ausbeutung“: Solche Worte hat man von einem deutschen Minister bisher nicht gehört. Auch das macht deutlich: Es ist etwa in Bewegung geraten, im Verhältnis Europas zum schwarzen Kontinent. Wie viel oder wie wenig davon auf die anderen hoch entwickelten Länder abfärbt, vor allem auf Amerika unter Trump, muss der G20-Gipfel in Hamburg weisen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2017)

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