Defizit: Kärnten ist Schuldenkaiser

Defizit: Kärnten ist Schuldenkaiser
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Die obersten Schuldenwächter des Landes erhöhen den Druck auf Kärnten und verlangen Einsparungen. IHS-Chef und Wirtschaftsforscher Felderer übt auch harsche Kritik an der Bundesregierung.

Wien. Nun ist es amtlich: Österreich hat ein „Kärnten-Problem“. Laut Bericht des Staatsschuldenausschusses, der am Mittwoch präsentiert wurde, ist die Pro-Kopf-Verschuldung in Kärnten seit 2007 von 1549 Euro auf ein Rekordniveau von 2254 Euro explodiert. Auf Platz zwei liegt Niederösterreich, das pro Einwohner mit 1699 Euro in der Kreide steht. Als Musterschüler gilt Oberösterreich, das schuldenfrei ist.

Spekulationen über eine Pleite Kärntens hält Bernhard Felderer, Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses, jedoch für übertrieben – auch wenn das Land Haftungen für die schwer angeschlagene BayernLB-Tochter Hypo Group Alpe Adria in der Höhe von achtzehn Milliarden Euro übernommen hat. „Dass da ein Konkurs eines Bundeslandes entsteht, das sehe ich noch nicht.“ Im schlimmsten Fall müsse der Bund einspringen. Felderer empfiehlt Kärnten einen strikten Sparkurs. „Die Ausgabenpolitik war sehr intensiv in den vergangenen Jahren“, meint der Wirtschaftsforscher und verweist auf Wahlzuckerln der Kärntner Regierungspartei BZÖ.

„Situation ist nicht ausweglos“

Doch der Appell stößt bei Landeshauptmann Gerhard Dörfler (BZÖ) in Klagenfurt weitgehend auf taube Ohren. Nach Aktionen wie Müttergeld und Billigbenzin will er 2010 den „Jugendtausender“ einführen. Alle 16- bis 18-Jährigen bekommen 1000 Euro geschenkt – für den Führerschein oder die erste Wohnung.

Da die Bundesländer weitgehend autonom sind, hat die Regierung in Wien nicht allzu viele Möglichkeiten, die Kärntner zur Vernunft zu bringen. Höchstens über den Finanzausgleich können die Daumenschrauben angesetzt werden.

Harsche Kritik übt der Staatsschuldenausschuss auch an der Bundesregierung. Obwohl der Schuldenberg in die Höhe schießt, haben Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) noch immer kein Sanierungskonzept vorgelegt. „Es ist nicht unendlich viel Zeit“, warnt Felderer. Heuer gibt Österreich mit 7,9 Milliarden Euro bereits mehr Geld für die Zinsen aus als für die Schulen. „Die Situation ist beängstigend, aber nicht ausweglos“, so der oberste Schuldenwächter der Nation.

Wegen der Folgen der Wirtschaftskrise (Konjunkturpakete und Hilfen für die Banken) erhöht sich die öffentliche Verschuldung in diesem Jahr von 177 Milliarden Euro auf 189 Milliarden Euro. Das entspricht einer Staatsschuldenquote (Anteil der Staatsschulden am Bruttoinlandsprodukt) von 68,2 Prozent. Da im Zuge der Krise die Steuereinnahmen zurückgehen, wird die Schuldenquote bis 2011 auf 76 Prozent klettern.

Höhere Zinszahlungen drohen

Felderer verlangt, dass sich die Regierung bis spätestens Mitte 2010 auf ein Sanierungskonzept einigt. Werde die Sache weiter hinausgezögert, drohen finanzielle Nachteile: „Dann werden wir durch Aufschläge bei den Zinszahlungen bestraft“, warnt der Wirtschaftsforscher. Österreich stehen daher zehn magere Jahre bevor. Nur mit einem harten Sparkurs bis 2020 könne man laut Felderer das Defizit in den Griff bekommen, auch wenn die Wirtschaft nach der Krise kräftig wächst und die Neuverschuldung niedrig ist.

Zwar feilen Arbeitsgruppen seit Jahren an einer Verwaltungsreform, doch der große Wurf ist bislang ausgeblieben. Felderer mahnt, dass nun „Entscheidungen auf höchster politischer Ebene“ notwendig seien, „auch dann, wenn es dem einen oder anderen politischen Freund wehtut“. Allerdings stehen 2010 gleich drei Landtagswahlen (Wien, Steiermark und Burgenland) auf dem Programm. ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka erwartet daher, dass die Reform nicht vor 2011 umgesetzt werden kann.

Nicht auszuschließen ist, dass die Bürger zur Kasse gebeten werden. Der Staatsschuldenausschuss, dem Vertreter der Wirtschaftskammer, der Arbeiterkammer und der Regierung angehören, deutet in seinem Bericht die Notwendigkeit von Steuererhöhungen an, falls die strukturellen Maßnahmen auf der Ausgabenseite nicht ausreichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10. Dezember 2009)

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