Umfrage: Keiner empfängt Expats so frostig wie wir

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Hochqualifizierte Zuzügler loben die Infrastruktur, fühlen sich hier aber nicht zu Hause: Bei der „Freundlichkeit“ landet Österreich auf Platz 64 von 65 Destinationen. Im gesamten Expat-Ranking fällt das Land heuer um 20 Plätze zurück.

Wien. Man lebt gut in Österreich, es ist ein schönes, reiches und sicheres Land mit viel Kultur: Das hören die Einheimischen gern, und es bestätigen ihnen diverse Rankings zur Lebensqualität. In den Wohlklang mischt sich nun aber ein kräftiger Misston: Hochqualifizierte Ausländer, die sich hier ansiedeln, vermissen jegliche Gastfreundschaft. In Sachen „Freundlichkeit“ ist Österreich das zweitschlechteste von 65 untersuchten Zielländern (dahinter folgt nur noch Kuwait). Das ergibt eine Umfrage des Netzwerks Internations unter 13.000 Personen. Wer als Expat nach Österreich zieht, fühlt sich hier typischerweise nicht willkommen, findet kaum neue Freunde und kann sich nur schwer verständigen – was für den Teilindex „Wie leicht lebt man sich ein?“ in Summe ebenfalls nur den vorletzten Platz ergibt. Auch im Gesamtranking fällt Österreich im Vergleich zum Vorjahr massiv zurück: von Platz acht auf Platz 28.

Das sollte zu denken geben. Denn mit Maßnahmen mit der Rot-Weiß-Rot-Karte bemüht sich die Politik ja (vergeblich), mehr Hochqualifizierte ins Land zu holen. Zwar umfasst das Netzwerk mit 2,8 Millionen Mitgliedern nicht nur klassische Expats, also höhere Angestellte, die ihr Konzern temporär ins Ausland entsendet. Aber was die Befragten eint, ist das Bildungsniveau: 82 Prozent haben einen Uni-Abschluss, 98 Prozent zumindest Matura. Um diese Zielgruppe – gut 50 Millionen Menschen weltweit – ist längst ein Wettbewerb entstanden, in dem Österreich offenbar keine guten Karten hat.

Weiche Fakten, hartes Urteil

Aber wie passt das etwa mit der Mercer-Studie zusammen, die Wien als die Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität ausweist? Bei den australischen Beratern geht es nur um harte Fakten: wirtschaftliche Lage, Sicherheit, Stabilität, Gesundheitswesen, Schulen. Ähnlich ist es beim Expat-Ranking der britischen Großbank HSBC, in dem Österreich 2016, erstmals vertreten, gleich auf Platz sieben von 45 Ländern gelandet ist. Aber ein paar weichere Kriterien gibt es auch dort. Und siehe da: Beim Punkt „Wie leicht gewinnt man Freunde?“ reicht es auch bei der HSBC-Umfrage nur für den beschämenden vorletzten Platz. Solche Soft Facts sind bei Internations stärker gewichtet, wohl zu Recht. Denn was hilft mir eine tolle Infrastruktur, wenn ich mich in der Wahlheimat einsam, ungeliebt und unverstanden fühle?

Freilich: Auf den vorderen Plätzen im Ranking finden sich auch Schwellenländer wie Costa Rica, Mexiko oder Kolumbien. Sie sind noch stolz darauf, schlaue Gutverdiener anzuziehen, und empfinden sie auf dem Arbeitsmarkt nicht als Konkurrenz. Aussagekräftiger ist der Vergleich mit anderen Hochlohnländern. Aber auch hier zeigt sich, wenn auch mit geringerem Abstand: Amerikaner, Holländer, Norweger und Deutsche werden von den Expats, die unter ihnen leben, als deutlich freundlicher wahrgenommen.

Eine Hürde lässt sich nicht entfernen: die Sprache. Deutsch ist keine Lingua franca wie Englisch und auch schwerer zu lernen als etwa Holländisch, Spanisch oder Italienisch. Aber andere Länder machen ein solches Handicap oft damit wett, dass ihre Einwohner besonders gut Englisch sprechen oder geduldig improvisieren. Nicht so hierzulande: Nur 29 Prozent der Wahlösterreicher finden es leicht, sich ohne Kenntnis der Landessprache durchzuschlagen – im weltweiten Schnitt der Expats sind es 46 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2017)

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