Die beiden Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels schrieben einander ein Leben lang sehr persönliche Briefe. Sie lassen es an Deftigkeit nicht vermissen und bringen Überraschendes zutage. Ein Auszug.
Dem Russen Dawid Borissowitsch Rjasanow (1870–1938) hat die Nachwelt viel zu verdanken. Der glühende Marxist sorgte dafür, dass die vielen Briefe, die die beiden Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels einander geschrieben haben, nicht verloren gingen. Das wäre schade gewesen. Denn zum einen zeigt ihre Korrespondenz eine ganz andere Seite der beiden Männer. Zum anderen haben diese deftigen Briefe den deutschen Schriftsteller Harry Rowohlt und den linken Politiker Gregor Gysi 2009 zu der höchst amüsanten Lesung „Marx & Engels intim“ veranlasst (Die Aufzeichnung ist als Hörbuch erhältlich). Rowohlt las Marx' Briefe, Gysi Engels'.
Doch auch die Schreiben von Heinrich Marx an seinen Sohn Karl sind aufschlussreich. Im November 1835 schreibt der preußische Anwalt an seinen Spross: „Lieber Karl, über drei Wochen sind verflossen, seit Du weg bist. Und keine Spur von Dir. Du kennst Deine Mutter und ihre Ängstlichkeit; und dennoch diese grenzenlose Nachlässigkeit. Das bestätigt mir leider nur zu sehr die Meinung, welche ich trotz deiner manch guten Eigenschaften hege: Dass der Egoismus in Deinem Herzen vorherrschend ist.“ Seine Worte dürften Marx, der immer zu viel Geld ausgab, aber nicht berührt haben.
Warten aufs Erbe. Auch zwei Jahre später schreibt der Vater verzweifelt: „Als wären wir Goldmännchen verfügt der Herr Sohn in einem Jahre über beinahe 700 Thaler gegen alle Abrede, gegen alle Gebräuche, während die Reichsten keine 500 ausgeben.“ Das beeindruckte den Studenten nicht, wie ein Brief von Vater Heinrich nur zwei Monate später bezeugt: „Ich leugne nicht, dass ich mir zuweilen Vorwürfe mache, allzu schwach Dir den Zügel gelassen zu haben. So sind wir jetzt im vierten Monat des Justizjahres und schon hast Du 280 Thaler gezogen. Soviel habe ich diesen Winter noch nicht verdient. Ich bin erschöpft, lieber Karl, und muss schließen.“ Keine bloße Jammerei, Marx' Vater schloss noch im selben Jahr seine Augen für immer. Das große Erbe stand Karl mit dessen Tod aber nicht ins Haus. Die verschwenderische Art seines Sohnes kennend, hatte der Senior verfügt, dass sein Sohn erst nach dem Tod seiner Mutter Zugriff aufs Erbe erhalten solle.