Höhere Löhne: Gewerkschafter berufen sich auf EZB

Themenbild: Wolken und die EZB
Themenbild: Wolken und die EZB(c) APA/Frank Rumpenhorst
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Bei ihrem Ruf nach höheren Löhnen sehen Österreichs Gewerkschafter die EZB und die Bundesbank auf ihrer Seite. Damit gerät das klassische Links-Rechts-Schema durcheinander.

Wien. Mit der Wirtschaft geht es aufwärts, daher verlangen die Arbeiter und Angestellten deutliche Lohnerhöhungen. In Österreich machen die Metaller traditionell den Auftakt für die Lohnrunden. Ihr Ergebnis gilt als Zugpferd für andere Branchen. Daher waren am Mittwoch alle Blicke auf die Spitzengewerkschafter gerichtet, die in die Zentrale der Wirtschaftskammer gefahren waren, um dort ihr Forderungspaket zu übergeben. Der Start der Lohnrunde begann mit einer kleinen Sensation.

Denn die Gewerkschaften gingen ohne konkrete Prozentforderung in die Verhandlungsrunde. Im Vorjahr hatten sie gleich zu Beginn mit dem Ruf nach einer dreiprozentigen Lohnerhöhung für einen Eklat gesorgt. Die Wirtschaft war über die „absurd hohe Forderung“ empört. Herausgekommen ist dann eine durchschnittliche Lohn- und Gehaltserhöhung von 1,68 Prozent. Heuer gehen die Gewerkschaften diplomatisch vor. Hinter vorgehaltener Hand betonen sie, dass mindestens zwei Prozent herauskommen müssen.

Die gestrige Verhandlungsrunde zeigte auch, dass in der Wirtschaft das klassische Links-Rechts-Schema durcheinander geraten ist. So berief sich Karl Dürtscher, Chefverhandler der Gewerkschaft GPA, bei der Übergabe der Forderungen auf die Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank (EZB). Diese hätten, so Dürtscher, „uns zu kräftigen Lohnerhöhungen“ aufgefordert. Beide Institutionen seien, so Dürtscher, „wirklich nicht als Brutstätten der Revolution“ zu bezeichnen. Die Gewerkschaften wollen nun dem Wunsch der Banken nachkommen.

Tatsächlich sprechen sich angesichts des Rechtsrucks in vielen Ländern und der Diskussionen über die zunehmende soziale Ungleichheit immer mehr bürgerliche Wirtschaftsvertreter dafür aus, dass die frühere Zurückhaltung bei Lohnabschlüssen aufgegeben werden soll. Ein prominenter Vertreter ist Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank. Mit höheren Löhnen soll lauf Weidmann die Binnennachfrage angekurbelt werden. Ähnliches ist von Vertretern der EZB zu hören.

Metallindustrie und Bergbau: Lohnerhöhungen
Metallindustrie und Bergbau: LohnerhöhungenQuelle: APA, Wifo / Grafik: "Die Presse"

Comeback der Benya-Formel

In Österreich wiederum feiert die legendäre Benya-Formel ein Comeback. Anton Benya war Mitte der 1960er Jahre Präsident des Gewerkschaftsbunds (ÖGB) und ein einflussreicher SPÖ-Politiker. Die nach ihm benannte „Benya-Formel“ besagt, dass den Arbeitnehmern bei den Löhnen die jährliche Inflationsrate abgegolten wird. Zusätzlich erhalten sie einen Anteil am Produktivitätszuwachs. Auch die Vertreter in der Wirtschaftskammer und in der ÖVP waren jahrzehntelang für die Benya-Formel. Die Sozialpartner verfolgten damit das Ziel, dass auch die breiten Massen der Arbeitnehmer vom gesamtwirtschaftlichen Fortschritt profitieren sollen. Mit dem EU-Beitritt Österreichs und der zunehmenden Globalisierung verlor die Benya-Formel ab den 1990er Jahren an Bedeutung.

Doch nun wollen die Gewerkschaften wieder an die alte Regel anknüpfen. „Wenden die Sozialpartner die Benya-Formel an, kommt man auf Lohnabschlüsse zwischen 2,25 und 2,5 Prozent“, sagt IHS-Experte Helmut Hofer im „Presse“-Gespräch. Denn die Inflationsrate sei in den vergangenen zwölf Monaten bei 1,75 Prozent gelegen. Hinzu komme noch die volkswirtschaftliche Produktivitätssteigerung, die heuer voraussichtlich 0,7 Prozent und im nächsten Jahr 0,5 Prozent ausmachen werden.

Hofer hält es für realistisch, dass sich die Sozialpartner auf die nach der Benya-Formel errechneten 2,25 Prozent bis 2,5 Prozent einigen werden. „Die Benya-Formel ist grundsätzlich nicht so schlecht“, sagt Hofer. Allerdings funktioniere sie vor allem in wirtschaftlich guten Zeiten. Denn falls die volkswirtschaftliche Produktivität rückläufig sei, was während der Finanz- und Wirtschaftskrise in Österreich der Fall gewesen sei, müssten die Löhne eigentlich real sinken. Das bedeutet, dass die Lohnerhöhungen hinter der Inflation zurückbleiben. Doch in Österreich hat es auch während der Krise Lohnsteigerungen über der Inflation gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2017)

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