Deutschland: Es geht um viel Kohle

Braunkohle ist vor allem auch in Ostdeutschland ein Wirtschaftsfaktor. 20.000 Jobs hängen dran.
Braunkohle ist vor allem auch in Ostdeutschland ein Wirtschaftsfaktor. 20.000 Jobs hängen dran.dpa/dpaweb
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Es hakt in den Sondierungsgesprächen zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen. Wegen des Klimas. Das größte Braunkohleabbaugebiet der Welt steht auf dem Prüfstand.

Berlin. Viele Bewohner von Manheim, das jetzt Manheim-alt heißt, sind schon weg. Sie sind umgezogen in die Retortenstadt Manheim-neu. Es hilft ja nichts. 2022 wird in Manheim-alt in Nordrhein-Westfalen (NRW) gebaggert. Dann ist wieder ein Dorf dem Braunkohletagebau gewichen. Und irgendwann ist Manheim-alt eine Mondlandschaft. So läuft das mitunter in Deutschland, dem größten Braunkohleförderer der Welt.

Das bräunlich-schwarze Sedimentgestein ist auch Thema am Sitz der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin, wo in diesen Tagen eine mögliche Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen sondiert wird. Die Frage nach der Klimapolitik und ganz konkret nach der Zukunft der Braunkohle ist eine der größeren Hürden auf dem Weg zu einem Jamaika-Bündnis. Am Donnerstag gab es keinen Durchbruch, zu weit liegen die Positionen auseinander. Die Grünen haben im Wahlkampf gefordert, die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort abzuschalten und den Rest bis 2030. Die FDP sträubt sich gegen derlei Verbote − genauso wie der Chefverhandler der CDU für Klima, Umwelt und Energiepolitik, Armin Laschet, der deshalb kurzzeitig gar Jamaika infrage stellte. „Wenn Braunkohlewerke in der Lausitz schließen und das die Erwerbsgrundlage für Tausende Menschen entzieht, dann haben sie demnächst 30 Prozent AfD“, erklärte Laschet.

Wobei eben nicht nur in der ostdeutschen Lausitz, sondern auch im Rheinland in NRW die Braunkohle ein Wirtschaftsfaktor ist. Und dort ist Laschet seit dem Frühjahr Ministerpräsident einer schwarz-gelben Koalition, die von einem beschleunigten Aus für den Energieträger nichts hält. Zwar hat im Bund schon die jüngste Große Koalition einen Braunkohleausstieg anvisiert - aber eben ohne ein konkretes Datum zu nennen.

Der braun-schwarze Klimasünder

Die Braunkohle ist der Klimasünder Nummer eins unter den Energieträgern, weil bei ihrer Verfeuerung vergleichsweise viel Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wird. Der Rohstoff verdirbt also die Klimabilanz. Das ist das Problem. Denn im Kern sollen sich Berichten zufolge alle Jamaika-Verhandler zu den Klimazielen bekannt haben, also etwa zum Pariser Abkommen, aber auch dem ambitionierten nationalen Vorhaben, das Merkels erste schwarz-rote Regierung formuliert hat: Es sieht vor, dass Deutschland bis 2020 den Treibhausgasausstoß um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 drückt. Derzeit wird mit einer Verminderung um nur 32,5 Prozent gerechnet. Ohne neuen Kraftakt droht also ein krachendes Scheitern. Sollte das Ziel verfehlt werden, wäre das eine Blamage für einen grünen Koalitionspartner, der den Wahlkampf um den Markenkern Umwelt und Klima aufgebaut hatte. Und auch für Merkel steht viel auf dem Spiel. Sie hat sich als Klimakanzlerin inszeniert und dabei auf der Weltbühne Donald Trump die Stirn geboten.

Aber es hängen eben auch 20.000 Jobs an der Braunkohle. Die Regionen um den Tagebau, alle CDU-geführt, würden bei einem raschen Ausstieg in Schwierigkeiten geraten. Außerdem ist die Stromerzeugung mittels Braunkohle vergleichsweise billig, weshalb CDU und FDP auch die Energiepreise im Blick haben.

40 Prozent Kohlestrom

Noch immer wird 40 Prozent des Stroms in Stein- und Braunkohlekraftwerken produziert, wobei Steinkohle ab 2018 in Deutschland zumindest nicht mehr abgebaut wird. Dann ist Schicht im Schacht. Der Löwenanteil entfällt mit 23,1 Prozent aber ohnehin auf Braunkohlestrom, der übrigens nicht nur den Eigenbedarf deckt. Deutschland ist auch hier Exportweltmeister, ein Teil des Braunkohlestroms fließt etwa nach Österreich. Allein der fürs Ausland bestimmte Strom koste „sechs Prozentpunkte des deutschen Klimaziels“, erklärte dazu jüngst Felix Matthes vom Öko-Institut der Süddeutsche Zeitung“.

Für Manheim-alt wird jede Wende in der Braunkohlepolitik ziemlich sicher zu spät sein. Selbst viele Verstorbene sind längst umgebettet. Sie ruhen auf dem Friedhof in Manheim-neu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2017)

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