Wachstum: Lenzing geht in die "Höhle des Tigers"

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Der Viskosefaserproduzent Lenzing investiert in Asien: Um 170 Millionen Dollar wird das erste Werk in Indien nahe Mumbai gebaut. In China wird um 80 Millionen Dollar die Kapazität verdoppelt.

Wien. Vor eineinhalb Jahren hat der indische Multi Birla eine Hand nach dem Konkurrenten Lenzing ausgestreckt. Die Übernahme kam nicht zustande, weil die B&C-Holding der Bank Austria aufstockte und das Land Oberösterreich eine Haftung übernahm. Jetzt dreht die börsenotierte Lenzing den Spieß um. Der weltgrößte Viskosefaserproduzent will zwar nicht Birla übernehmen, aber er geht mit einer eigenen Produktion in die „Höhle des Tigers“, wie Lenzing-Chef Peter Untersperger sagt. „Wir planen ein Faserwerk, das in der ersten Ausbauphase eine Kapazität von 60.000Tonnen haben wird“, kündigt Untersperger im Gespräch mit der „Presse“ an. Investitionssumme für die Fabrik, für die im ersten Halbjahr 2010 ein 40 Hektar großes Areal nahe Mumbai gekauft wird: rund 170 Mio. Dollar (120 Mio. Euro).

Die Finanzierung ist für den Konzern, der zudem 150 Mio. Dollar in die Kapazitätserweiterung bei der indonesischen Tochter South Pacific Viscose steckt und weiters mit einem dreistelligen Millionenbetrag die österreichischen Standorte Lenzing und Heiligenkreuz sowie das britische Grimsby aufrüstet, kein Problem. Obwohl Lenzing krisenbedingt im ersten Halbjahr 2009 einen deutlichen Gewinnrückgang verzeichnet hat, ist im Gesamtjahr ein „ganz passables Ergebnis“ herausgekommen. „Wir haben eine gesunde Finanzstruktur“, sagt Untersperger. Ende September wies Lenzing liquide Mittel von knapp 120 Mio. Euro aus.

Staatshaftung oder Anleihe

Die Staatshaftung, um die man – so wie viele andere Konzerne – angesucht habe, wäre für die Expansion natürlich nicht schlecht, meint Untersperger. Weil die Bedingungen aber sehr streng seien, werde man nicht „um jeden Preis“ darauf zurückgreifen. Bisher sei noch keine Entscheidung gefallen. Als Alternative prüfe man eine Anleihe, die Zeit dafür sei günstig.

Die BRIC-Staaten Brasilien, Indien und China (Russland ausgenommen) – das sind die Märkte, in denen der Faserproduzent das große Geschäft wittert. „Wir befinden uns am Beginn eines langjährigen Wachstumszyklus“, ist Untersperger überzeugt und untermauert diese „keineswegs realitätsfremde“ Prognose mit Fakten. China habe die Wirtschaftskrise schon überstanden, wie die Konjunkturdaten des vierten Quartals zeigen. An Indien und Brasilien sei die Krise nahezu spurlos vorübergegangen. Alle drei Länder sind wegen der hohen Bevölkerungszahlen ein Dorado für die Faserindustrie: Mit zunehmendem Wohlstand und der Entwicklung eines Mittelstands wächst das Bedürfnis nach Kleidung, Heimtextilien und Hygieneartikeln enorm.



„Wir sind zum Wachsen verdammt.“

Lenzing-Chef Peter Untersperger

Asiens Textilmarkt wird ein jährliches Plus von zehn bis 15 Prozent vorausgesagt, während der weltweit 75 Millionen Tonnen schwere Fasermarkt jährlich um drei bis 3,5 Prozent zulegt. „Wir sind zum Wachsen verdammt – wenn wir nicht mit unseren großen Kunden mitwachsen, haben wir verspielt“, betont der Lenzing-Boss, dessen Vertrag im Dezember auf weitere drei Jahre verlängert wurde. Deshalb plant er in Indonesien schon den nächsten Schritt: Nach der Eröffnung der vierten Produktionsstraße im Frühsommer, die die Kapazität von 160.000 auf 220.000 Tonnen steigert, wird eine weitere Aufstockung um 20.000 Tonnen in Angriff genommen. Die Produktion in Nanjing (China) soll in den nächsten zwei bis drei Jahren um 80 Mio. Dollar auf 150.000 Tonnen verdoppelt werden. Erklärtes Ziel Unterspergers: „Wir wollen in wenigen Jahren konzernweit von 700.000 auf eine Millionen Tonnen Fasern kommen.“

Konzentration auf Spezialfasern

Die in den letzten Jahren forcierte Konzentration auf Spezialfasern, die in den Forschungslabors im oberösterreichischen Stammwerk entwickelt werden, hat sich gerade in der Krise als richtige Strategie erwiesen. Das betrifft nicht nur die „grüne“ Faser Tencel, sondern auch Fasern für sogenannte „Non-vovens-Produkte“ – Feuchttücher, Tampons oder Schaumstoffe für Matratzen.

Die Faserindustrie sei ein Frühindikator, weshalb Lenzing auch schon im vierten Quartal 2008 voll vom Abschwung erwischt worden sei. Gegen den Trend fiel aber schon im Februar 2009 die Entscheidung für den Ausbau in Indonesien. Schon im zweiten Quartal zog die Nachfrage an und die Faserpreise konnten erhöht werden.

Auf einen Blick

Der ViskosefaserproduzentLenzing investiert in Asien: Um 170Mio. Dollar wird das erste Werk in Indien nahe Mumbai gebaut. In China wird um 80 Mio. Dollar die Kapazität verdoppelt. In Indonesien wurde um 150 Mio. Dollar eine vierte Produktionsstraße gebaut, die im Frühsommer eröffnet wird. Im Stammwerk wird die Zellstoffproduktion erweitert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2010)

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