Gas vom Bauern statt von Putin

Zuckerrüben anbauen, um Häuser zu heizen? Künftig soll das „grüne Gas“ allein aus Bioabfällen kommen.
Zuckerrüben anbauen, um Häuser zu heizen? Künftig soll das „grüne Gas“ allein aus Bioabfällen kommen. (c) REUTERS (Pascal Rossignol)
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Bis 2050 könnten alle heimischen Erdgashaushalte mit Methan aus Bioabfall heizen, zeigt eine Studie. Die Netzbetreiber sehen nun eine zweite Chance fürs „grüne Gas“.

Wien. Auf weitere 50 Jahre! Oder nicht? Sollten die heimischen Regierungsspitzen darauf mit Wladimir Putin bei den Jubiläumsfeiern der Gasverträge angestoßen haben, dann haben sie dem russischen Präsidenten ihre Klimastrategie verheimlicht. Denn in ihr geloben sie, Österreich werde bis 2050 ohne fossile Energieträger auskommen.

Ein Ziel, das nicht nur für Gazprom, sondern auch für die Gasnetzbetreiber eine Gefahr ist. Denn damit hat Erdgas ein Ablaufdatum – als typische „Brückentechnologie“, die nur vorübergehend das noch klimaschädlichere Erdöl ersetzt. Schon machen sich Umweltaktivisten Gedanken darüber, auch ein Verbot von Gaskesseln zu fordern, obwohl zwei Mio. Haushalte (jeder zweite) damit heizen. Teure Investitionen ins Netz hätten sich dann nicht rentiert.

Anders sieht es aus, wenn man die bestehende Infrastruktur auch in Zukunft nutzen kann, um die Klimaziele zu erreichen. Wenn Leitungen, Speicher und Kessel weiterhin mit Gas befüllt sind – aber mit solchem aus CO2-neutralen Quellen. Darauf setzt die Österreichische Vereinigung für das Wasser- und Gasfach (ÖVGW). Große Hoffnung macht ihr eine Studie des Energieinstituts der Uni Linz, die dieser Technologie ein gewaltiges Potenzial bescheinigt.

Fazit der Forscher: Bis 2050 könnten alle Haushalte, die heute mit Erdgas oder Fernwärme heizen, auf grünes Gas umsteigen. Es geht um zwei Mrd. m3 pro Jahr. Zu drei Vierteln wäre es Biomethan. Als Rohstoff dient der Abfall von Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie: Stroh, Kompost, Mist, Gülle, Biomüll. Der Reiz dabei: Es muss nicht extra Mais oder Getreide angebaut werden, man vermeidet also eine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion (und eine eher fragwürdige CO2-Bilanz). Vergärt man die Reststoffe unter Luftabschluss, entsteht ein Methangemisch, das sich in gereinigter Form in die Gasnetze einspeisen lässt.

Falsch gefördert beim ersten Versuch

Und das restliche Viertel auf die Gesamtmenge? Beim Veredeln von Biogas bleibt CO2 übrig. Mit Wasserstoff gemischt kann man auch daraus Methangas herstellen. Der Wasserstoff dafür könnte vom Strom kommen, den Windkraftwerke über Bedarf produzieren, wenn es gerade stark pfeift. Die Technologie dazu heißt Power to Gas (vom Strom zum Gas). Klingt rund. Aber warum nehmen sich nur die Netzbetreiber des Themas an, nicht aber die Produzenten?

Weil es heute praktisch keine Kraftwerksbesitzer gibt, die lobbyieren könnten. Dabei war das Thema Biogas vor rund zehn Jahren schon einmal in aller Munde. Was dabei herausgekommen ist, ist wohl das Ergebnis schlechter Abstimmung und falscher Förderung: 200 kleine Hersteller, die aus dem Gas Strom erzeugen, wobei meist nur 30 bis 40 Prozent der enthaltenen Energie genutzt wird. Nur ein Dutzend Anlagen speisen ihr Gas ins Netz ein und wärmen damit Räume. Mit der kleinen Ökostromnovelle dreht die Politik den Förderhahn langsam zu.

Klingt nicht nach Zukunftshoffnung. Aber in der Klimastrategie ist Biogas sehr wohl Thema. Die Studienautoren rechnen mit deutlich größeren, mit verschiedensten Reststoffen befüllbaren Anlagen, die einen Wirkungsgrad von 95 Prozent haben. Bis 2025 sollen davon rund 300, bis 2050 knapp 600 laufen. Dass sie dann wirklich leistbare Raumwärme produzieren, ist aber auch für ÖVGW-Präsident Manfred Pachernegg ein „Spagat“ und „nicht trivial“. Und das heißt: Es braucht eine „Anschubfinanzierung“.

Dabei genüge aber, grünes Gas gleich wie Solar- und Windenergie zu fördern, nicht mehr und nicht weniger. So billig wie Erdgas kommt es für die Kunden freilich nie, aber davon will man ja mittelfristig weg. Und mit anderen Erneuerbaren könnte das grüne Gas laut Studie spätestens bis 2050 gut mithalten. Vor allem, wenn man zu Vollkosten rechnet, denn die Leitungen und Geräte sind ja schon da. So wäre das vollständig erneuerbare Gasprodukt kaum teurer als eine Luft-Wasser-Wärmepumpe und sogar günstiger als eine Pellets- oder Ölheizung. Womit es eine zweite Chance verdient hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2018)

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