Steinbach: "Das AMS wird zum Büttel der Sozialpolitik"

(c) Teresa Zötl
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Der scheidende AMS-Verwaltungsratspräsident kritisiert im Gespräch mit der "Presse" die Art und Weise, wie die Mindestsicherung eingeführt werden soll.

„Die Presse“: Herr Steinbach, Sie haben heute überraschend den Vorsitz vom Verwaltungsrat des Arbeitsmarktservice (AMS) zurückgelegt. Warum eigentlich?

Günther Steinbach: Der Grund ist ein rein persönlicher. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wollte mich ablösen – mit der Begründung, dass ich zu alt sei. Und diesem Wunsch entspreche ich mit meinem Rücktritt.


Es heißt, dass es zwischen Ihnen und Minister Hundstorfer heftige Differenzen gab und Sie aus Protest gegen die Einführung der Mindestsicherung das Feld räumen.

Steinbach: Wahr ist, dass ich sachliche Einwände vorgebracht habe. Etwa jenen, dass ich die Idee, die Abwicklung der Mindestsicherung jetzt an das AMS zu delegieren, für keine sehr gute halte. Ob das der wahre Grund für meine Ablöse ist, kann ich nicht beantworten. Das müssen Sie den Minister fragen.

Was genau stört Sie denn?

Steinbach: Das AMS hat sich in den vergangenen Jahren zu einer professionellen Organisation entwickelt, die Arbeitssuchende und Arbeitgeber zusammenbringt. Das ist auch seine Kernaufgabe. Wir haben das AMS mühsam von der Mischzuständigkeit zwischen Serviceorganisation und verlängertem Arm der Sozialämter befreit. Jetzt beginnt man erneut, die Aufgaben des AMS mit jenen der Sozialpolitik zu vermischen – und das in einer Phase stark steigender Arbeitslosigkeit. Also in einer Zeit, in der das AMS alle Hände voll zu tun hat, Menschen in den Arbeitsmarkt zurückzubringen.


Und wie genau stört da die Einführung der Mindestsicherung?

Steinbach: Insofern, als bisher die Sozialämter geklärt haben, ob Antragsteller arbeitsfähig sind oder nicht. Das wird nun an das AMS ausgelagert, womit es zu einer Sammelstelle für Menschen wird, deren Bedürfnislage nicht klar ist. Das AMS wird damit zum Büttel der Sozialpolitik gemacht. Zudem ist es für Unternehmer nicht sehr angenehm, wenn sie dauernd Leute geschickt bekommen, die nicht passen. Diese Menschen werden dann nämlich wieder an die Sozialämter der Länder zurückgeschickt. Das sind völlig überflüssige Umwege. Schließlich wird doch die ganze Zeit über eine Verwaltungsreform geredet.


Das klingt so, als hielten Sie die Mindestsicherung grundsätzlich für keine blendende Idee. Ist das so?

Steinbach: Ein reiches Land wie Österreich sollte die Menschen keinesfalls im Regen stehen lassen. Niemand sollte hierzulande verhungern müssen. Das geht aber mit deutlich weniger Bürokratie.

Und zwar?

Steinbach: Man hätte die Abwicklung bei den Sozialämtern belassen können. Sie haben ja auch schon bisher geklärt, ob Antragsteller arbeitsfähig sind oder nicht.

Zur Person

Günther Steinbach war von 1982 bis 1999 Leiter der Sektion Arbeitsmarktpolitik im Sozialministerium und in dieser Funktion maßgeblich an der Ausgliederung des Arbeitsmarktservice (AMS) aus dem Sozialressort beteiligt. Seit Gründung des AMS im Jahr 1994 steht der SPÖ-nahe Steinbach dem Verwaltungsrat vor. Gestern legte er sein Mandat allerdings vorzeitig zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2010)

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