Rüstungsindustrie fordert Klarheit über Umgang mit Saudi-Arabien

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Zwei Reaktionen in der Causa Khashoggi: "Saudi-Arabien beleidigt unsere Intelligenz", sagt ein Berater des türkischen Präsidenten Erdogan. Die Rüstungsunternehmen brauchen Vertrauensschutz, heißt es in Deutschland.

Die deutsche Rüstungsindustrie fordert Klarheit von Kanzlerin Angela Merkel über das weitere Verfahren für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. "Die Rüstungsunternehmen brauchen im Rahmen bereits erteilter Genehmigungen dringend diesen Vertrauensschutz, da ansonsten rein politische Themen auf ihrem Rücken ausgetragen würden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), Hans Christoph Atzpodien, dem "Handelsblatt". Die Rüstungsfirmen würden die Bundesregierung daher um eine Aussage bitten, wie es mit diesen Lieferungen weitergehe. Als Beispiel nannte er am Montag das Unternehmen Lürssen, das einen vor Jahren genehmigten Vertrag über die Lieferung von Patrouillenbooten nach Saudi-Arabien hat.

Die Bundesregierung hatte zuvor deutlich gemacht, dass sie wegen des Falles des getöteten Journalisten Jamal Khashoggis zunächst keine neuen Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien genehmigen will. Was mit bereits genehmigten Ausfuhren geschehen soll, die noch nicht ausgeliefert sind, soll nach den Worten von Regierungssprecher Steffen Seibert nun geprüft werden. 

Unklar blieb zunächst, ob die Bundesregierung auch andere Wirtschaftssanktionen gegen Saudi-Arabien erwägt. "Ich kann Ihnen von solchen Plänen hier nicht berichten", sagte Seibert. Zunächst gehe es darum, dass die Tötung Khashoggis umfassend und glaubwürdig aufgeklärt werde. "Alles weitere wird danach zu besprechen sein - sowohl in der Bundesregierung als auch mit den europäischen Partnern und im übrigen auch mit den G7-Partnern." Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes erklärte, es solle zeitnah ein Gespräch mit dem saudiarabischen Botschafter im Auswärtigen Amt geben.

Industrie will sich fügen

In der Frage der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien bemüht sich die Bundesregierung um eine einheitliche Haltung der EU-Staaten. "Nur wenn alle europäischen Länder sich einig sind, dann macht dies Eindruck auf die Regierung in Riad", sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier im ZDF. Es bleibe ohne Folgen, wenn Deutschland seine Rüstungsexporte aussetze und gleichzeitig andere Länder diese Lücke füllten. Unklar blieb, wie viele Exportanfragen der Bundesregierung derzeit vorliegen. Darüber dürfe sie keine Auskunft geben, sagte ein Sprecherin von Altmaiers Ministerium. Es gebe aber rechtlich die Möglichkeit, bereits bestehende Ausfuhrgenehmigungen zu widerrufen. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte auf die Frage, ob sein Land dem deutschen Beispiel folgen werde, seine Regierung werde abwarten, bis die Wahrheit ans Licht gebracht sei.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) verurteilte die Tötung Khashoggis und erklärte, man werde sich den Anordnungen der Bundesregierung fügen. Die Wirtschaft erkenne den Primat der Politik an, sagte BDI-Chef Dieter Kempf im Deutschlandfunk. "Auch wenn es im Einzelfall für die Unternehmen natürlich misslich ist." In den ersten neun Monaten des Jahres genehmigte die Bundesregierung Rüstungslieferungen im Volumen von rund 400 Millionen Euro an Saudi-Arabien. Das Königreich war damit zweitgrößter Empfänger deutscher Rüstungsexporte nach Algerien mit Genehmigungen in Höhe von knapp 750 Millionen Euro.

"Man kann sich nur wundern"

Ein Berater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wies die Darstellung Saudi-Arabiens zurück, Khashoggi sei bei einem Faustkampf umgekommen. "Man kann sich nur darüber wundern, wie es zwischen 15 jungen, gut trainierten Kämpfern und einem 60 Jahre alten Khashoggi, allein und wehrlos, zu einem Faustkampf gekommen sein soll", sagte Yasin Aktay der regierungsnahen Zeitung "Yeni Safak". Saudi-Arabien beleidige damit die Intelligenz seiner Gesprächspartner. Erdogan erklärte, er werde sich in einer Rede am Dienstag zu den Ergebnissen der türkischen Ermittlungen äußern. Türkische Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass saudiarabische Geheimdienstler den regierungskritischen Journalisten ermordeten und seine Leiche zerstückelten. Nach wochenlangen Dementis hatte Saudi-Arabien am Samstag erstmals eingestanden, dass der "Washington Post"-Kolumnist im Konsulat des Königreichs in Istanbul getötet wurde.

AKP-Sprecher Celik sagte, es sei versucht worden, den Tod Khashoggis zu vertuschen. Er bezog sich auf ein von CNN verbreitetes Video einer Überwachungskamera, die einen als Chaschoggi verkleideten Mann in Istanbul zeigt, nachdem der Journalist verschwunden war.

Saudi-Arabien hat nach eigenen Angaben nicht die Absicht, in der Krise über den Ölmarkt zurückzuschlagen. Das Land habe nicht vor, ein Ölembargo wie 1973 zu verhängen, sagte Energieminister Chalid al-Falih der russischen Nachrichtenagentur Tass. "Dieser Vorfall wird vorübergehen." Saudi-Arabien sei verantwortungsvoll und trenne Öl und Politik seit Jahrzehnten.

Der saudiarabische Außenminister Adel al-Dschubeir wies Spekulationen zurück, Kronprinz Mohammed bin Salman könnte die Tat angeordnet haben. Es handle sich um eine eigenmächtige Aktion, mit der einzelne ihre Befugnisse überschritten hätten, sagte er dem US-Fernsehsender Fox. "Sie haben einen Fehler gemacht, als sie Khashoggi im Konsulat töteten, und sie haben versucht, das zu vertuschen." Die saudiarabische Führung wisse nicht, wo die Leiche des Journalisten sei.

(Reuters)

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