„Grüne“ Produkte sind Statussymbole

(c) AP (Itsuo Inouye)
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Der Griff zu Ökoprodukten erfolgt weniger aus Umweltschutzgründen als wegen des Ansehens. Gleichzeitig zeigen Käufer "grüner" Produkte ein schlechteres Sozialverhalten.

Wien (jaz/cim). Warum ist der Toyota Prius so ein Erfolg? Das Hybridauto ist im Verhältnis zu vergleichbaren konventionellen Fahrzeugen wesentlich teurer; um dasselbe Geld könnten sich die Käufer größere und luxuriösere Autos kaufen. Diese Fragestellung war der Ausgangspunkt für Forscher von zwei US-Universitäten sowie der Rotterdam School of Management, eine Studie über die Motive „grüner“ Käufer zu erstellen („Going Green to Be Seen“). Das Ergebnis: Der vorgebliche Altruismus, mehr Geld für Produkte auszugeben, um damit die Umwelt zu schützen, hat einen ganz egoistischen Hintergrund – den Wunsch nach höherem Ansehen bei anderen Menschen.

Untersucht wurde das Ganze anhand von mehreren Testreihen mit Studenten. Diese wurden in zwei Gruppen geteilt. Eine Gruppe musste einen Text lesen, der bereits bei älteren Studien erfolgreich den Wunsch nach „Statussymbolen“ in den Teilnehmern ausgelöst hat. Die Kontrollgruppe erhielt einen anderen Text. Danach mussten beide Gruppen Kaufentscheidungen fällen. Zur Auswahl standen „grüne“ Produkte oder luxuriösere konventionelle Pendants. Bei allen vorgelegten Produkten entschied sich die „Status-Gruppe“ deutlich stärker für die Ökoprodukte als die Kontrollgruppe.

Altruistisch? Nur vor Publikum

Noch aussagekräftiger war ein zweiter Test. Dabei mussten die Studenten ihre Kaufentscheidung unter zwei verschiedenen Annahmen treffen. Entweder in einem Geschäft, in dem auch andere Menschen anwesend sind, oder im Online-Shop allein vor dem Computer. Vor anderen Menschen war das Ergebnis gleich, wie in der ersten Testreihe – die „Status-Gruppe“ griff häufiger zu den Öko-Produkten. Bei den Käufen im Online-Shop fiel das Ergebnis diametral anders aus. Dort wurde häufiger zu den luxuriösen konventionellen Produkten gegriffen.

Die Forscher erklären sich die Ergebnisse mit der Theorie des „konkurrierenden Altruismus“. So widerspricht die „selbstlose“ Handlung, mehr Geld für Öko-Produkte auszugeben, dem grundsätzlichen Trieb des Menschen, mit seinen Ressourcen so sparsam wie möglich umzugehen. Allerdings kann der Käufer damit seiner Umwelt zeigen: „Ich kann es mir leisten, auf Luxus zu verzichten und dafür etwas für die Gemeinschaft zu tun.“ Dafür erhält er wiederum Anerkennung und einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft. Eine Verhaltensweise, die Anthropologen bereits in alten Hochkulturen und Biologen sogar bei Vögeln – im Rahmen der gefährlichen Aufgabe, vor Fressfeinden zu warnen – nachweisen konnten.

In der Studie wurden zwar nur fiktive Kaufentscheidungen getroffen. Von den Ergebnissen her deckt sie sich jedoch mit Umfragen unter realen US-Käufern von Toyota-Prius-Modellen. Diese gaben in einer Umfrage der „New York Times“ als Hauptgrund für ihre Kaufentscheidung an: „Weil es ein Statement über mich abgibt.“

Dass Käufer von ökologischen Produkten nicht per se besonders moralisch handelnde Menschen sein müssen, ist das Ergebnis einer anderen Studie der Universität Toronto zu diesem Thema. In einer Testreihe haben die Forscher gezeigt, dass der Kauf von Bioprodukten wie moderner Ablasshandel funktionieren kann: Wer „grün“ kauft, der entlastet sein Gewissen und meint, dafür bei anderer Gelegenheit gewissenloser handeln zu dürfen.

„Grüner Ablasshandel“

Als Nachweis diente erneut ein Experiment mit Studenten. Diese wurden in Online-Shops einkaufen geschickt. Eine Gruppe in einen Biomarkt, die andere in einen Laden mit konventionellen Produkten. Nach dem Einkauf mussten sie sechs Dollar nach eigenem Gutdünken zwischen sich und einer unbekannten Person aufteilen. Dabei waren die Biokäufer geiziger.

Bei einem zweiten Test sollten die Probanden bei einem Computerspiel Geld verdienen. In der ersten Runde des Spiels konnten sie herausfinden, wie man betrügt und so mehr Geld erhält: Jene, die Bioprodukte gekauft hatten, taten das daraufhin viel öfter. Die Autoren der Studie „Machen uns grüne Produkte zu besseren Menschen?“, Nina Mazar und Chen-Bo Zhong, folgern daraus, dass der Kauf umweltschonender Produkte selbstsüchtiges und unethisches Verhalten fördere.

Psychologen nennen das den „Licensing Effect“: Wer ökologisch korrekt oder sozial erwünscht handelt, der meint, so einen Bonus aufzubauen, den er verbrauchen kann, indem er sich andernorts kleine Fehltritte erlaubt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2010)

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