Arbeit hat Zukunft: Pflege, Bildung, Energie

Arbeit Zukunft Pflege Bildung
Arbeit Zukunft Pflege Bildung(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Schulungen lassen Arbeitslosenzahl weiter schrumpfen. Angleichung Arbeiter/Angestellte liegt auf Eis. Gut 245.000 Menschen sind in den letzten Apriltagen beim Arbeitsmarktservice (AMS) beschäftigungslos gemeldet.

Wien. Das sind wohl die kleinen Freuden im Leben eines Sozialministers. Wenn man Rudolf Hundstorfer heißt und Parteimitglied der SPÖ ist, darf man zufrieden sein, dass ausgerechnet an diesem 1.-Mai-Wochenende ein – leichter – Rückgang der offiziellen Arbeitslosenzahlen verkündet werden kann. Gut 245.000 Menschen sind in den letzten Apriltagen beim Arbeitsmarktservice (AMS) beschäftigungslos gemeldet, wie der „Presse“ im Büro des Sozialministers bestätigt wurde.

Damit verzeichnet Österreich im Vergleich zum April 2009 ein Minus bei der offiziellen Zahl um rund 5000 bis maximal 10.000 Arbeitslose. Allerdings gibt es wie schon in den vergangenen Monaten viel mehr Menschen, die eine Beschäftigung suchen. Denn mehr als 80.000 arbeitslose Personen sind in Schulungen, womit in Summe mehr als 325.000 Menschen ohne Job dastehen.

Aber ohne Schulungen würden sich die Expertenprognosen bewahrheiten, dass die Arbeitslosenzahlen steigen. Denn im April waren rund 17.000 Personen mehr als im Vergleichszeitraum 2009 in Weiterbildung. Der Hauptgrund dafür: Das Sozialministerium hat die Schulungen forciert. Seit Anfang dieses Jahres werden außerdem Schulungen mit einem Qualifizierungsbonus von 100 beziehungsweise 200 Euro – je nach Dauer der Kurse – als Anreiz belohnt.

Die Gesamtzahl an Beschäftigten ist weiter hoch. Ende März 2010 waren es laut Sozialversicherung 3.363.739 Personen. Das ist trotz Krise und Kündigungen mehr als im Jahr 2007 mit 3.340.999 Beschäftigten. Wie lange die Lage auf dem Arbeitsmarkt nach der Wirtschaftskrise angespannt bleibt, ist selbst für Wirtschaftsforscher eher Sterndeuterei. Bis 2011? Bis 2012? Oder noch länger?

Die Hoffnung liegt in Sektoren, die trotz Krise neue Jobchancen bieten. Wenn AMS-Chef Johannes Kopf über die Jobs der Zukunft spricht, nennt er im Gespräch mit der „Presse“ zuerst die persönlichen Dienste und den Gesundheitsbereich: Pflege von Kranken und Alten, von Kindern und – auch Familien: Da schlummere das größte Potenzial.

Der Tankwart im Wandel der Zeit

Kopf denkt aber auch an die Arbeitsfelder Kommunikation/Information, an Bildung, Miniaturisierung (Nano-Roboter etc.) und, nicht zuletzt, an Energietechnik. Wobei es im Bereich der sogenannten „Green Jobs“ nicht nur um neue Berufsbilder, sondern vor allem um Zusatzqualifikationen gehe. Der Maurer von heute müsse firm sein bei Wärmedämmung. Der moderne Installateur kennt sich mit Solartechnik aus. Der Tankwart von morgen wird imstande sein müssen, die Batterien eines Solarfahrzeuges aufzuladen.

Historisch gesehen habe sich die Arbeitswelt in Zyklen weiterentwickelt, analysiert der AMS-Chef. Am Beginn des 18.Jahrhunderts war es die Erfindung der Dampfmaschine, die vielen Menschen Arbeit bescherte. Es kam das Zeitalter des Stahls, der Eisenbahn – und wurde abgelöst von der chemischen, von der elektrotechnischen Epoche. Von den 1950er- bis in die 1990er-Jahre hinein boomte die Automobilbranche. Dann öffnete sich das Fenster der Informationstechnologie. „Wer“, fragt Kopf, „hätte damals gedacht, dass der Computer und das Handy so viele Arbeitsplätze schaffen werden?“

Das „alte Gewerbe“ blieb zwischenzeitlich zwar nicht auf der Strecke. Doch die Schuster und Bäcker, die Schlosser und Schweißer seien im Gefolge des technischen Fortschritts „wohl weniger geworden“, meint der AMS-Chef. Auf den klassischen Facharbeiter kommen nun neue Bildungsanforderungen zu: Ein Lagerarbeiter etwa könne vom AMS kaum vermittelt werden, wenn er „bloß“ zwei starke Hände habe. Er müsse schon auch mit dem Computer umgehen können.

Spannender sei die Arbeitswelt geworden, aber auch herausfordernder. Die plakative Frage unserer Zeit lautet: „Wie bringen wir einem 45-Jährigen bei, dass er sich immer noch weiterbilden muss?“ Dabei seien alle gefordert: die Politik, das AMS und vor allem der Einzelne.

Arbeiter: AMS-Chef sieht Reformbedarf

So sehr sich die Arbeit im Laufe der Zeit auch verändert haben mag – die rechtlichen Voraussetzungen haben damit nicht immer Schritt gehalten. Denn der Gesetzgeber macht beispielsweise immer noch große Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten. Etwaige Änderungen sind hier nicht in Sicht, obwohl es im Parlament einen Antrag der SPÖ für eine weitere Angleichung der Rechte der beiden Arbeitnehmergruppen gibt. Dort liegt er allerdings mangels Zustimmung des Koalitionspartners ÖVP auf Eis.

Konkret geht es darum, dass die Nachteile von Arbeitern gegenüber Angestellten bei der Entgeltfortzahlung, wie sie durch die Flugbeeinträchtigungen als Folge der Vulkanasche wieder virulent geworden sind, beseitigt werden sollen. Der Arbeiter hat zudem deutlich kürzere Kündigungsfristen (durchschnittlich 14 Tage) und kann aus teils abenteuerlichen Gründen entlassen werden. Für ihn gilt nämlich die Gewerbeordnung aus dem Jahr 1859, in der sich Entlassungstatbestände wie „die Behaftung mit einer abschreckenden Krankheit“ (Aussatz?) finden.

Der Auslöser für den Antrag war im Herbst des vergangenen Jahres die „Neue Grippe“. Damals wurden die Rufe nach einer Angleichung von Arbeitern an Angestellten bei der Pflegefreistellung laut: Wenn das eigene Kind krank ist, darf der Arbeiter zwar in Pflegeurlaub gehen, im Gegensatz zum Angestellten verdient er in dieser Zeitspanne aber nichts.

AMS-Chef Kopf hält solche Unterschiede für ungerecht, obwohl sie dank kleiner Adaptierungen nicht mehr so groß seien wie vor einigen Jahren. „Ich vertraue hier auf die Lösungskompetenz der Sozialpartner.“

AUF EINEN BLICK

Arbeitsmarkt. Rund 245.000 Menschen waren in den letzten Apriltagen arbeitslos gemeldet, rund 5000 weniger als vor einem Jahr. Allerdings wird offiziell nur deswegen ein Rückgang verzeichnet, weil rund 17.000 Personen mehr als vor einem Jahr in Schulungen sind. Die Gesamtbeschäftigtenzahl betrug laut Hauptverband der Sozialversicherungen heuer Ende März 3.363.739, immer noch mehr als 2007 mit 3.340.999.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2010)

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