AvW-Gruppe gibt auf: Tausende Anleger zittern

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Nach Beratungen mit dem Steuerberater habe sich gezeigt, dass eine Überschuldung vorliege und es keine günstige Fortführungsprognose gebe, so AvW-Anwalt Großmann.

Wien. Das Landesgericht Klagenfurt hat am Dienstag die Konkursverfahren über die Finanzgruppe und Beteiligungsgesellschaft AvW sowie die an der Wiener Börse notierte AvW-Invest eröffnet. Zum Masseverwalter wurde Gerhard Brandl bestellt. Die erste Gläubigerversammlung wurde für 6. Juli anberaumt. Forderungen können bis zum 30. Juni angemeldet werden. AvW-Anwalt Franz Großmann begründete die Konkursanträge im „Presse“-Gespräch unter anderem mit den Klagen von Anlegern. Denn dadurch wären Rückstellungen in einem nicht zu bewältigbaren Ausmaß erforderlich gewesen.

Nach Beratungen mit dem Steuerberater habe sich gezeigt, dass eine Überschuldung vorliege und es keine günstige Fortführungsprognose gebe, so Großmann. Die AvW-Gruppe hat sich in der Vergangenheit über die Ausgabe von Genussscheinen Kapital beschafft und damit Anteile an Firmen in Österreich und Deutschland erworben. Im Herbst 2008 wurde der Rückkauf dieser Scheine eingestellt. Rund 12.500 Anleger in Österreich und Deutschland fühlen sich geschädigt. Einige von ihnen haben Sammelklagen eingebracht.

Verschärft hat sich die Situation vor eineinhalb Wochen, als über Unternehmenschef Wolfgang Auer-Welsbach die Untersuchungshaft verhängt wurde. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der Untreue und des Betruges ermittelt. AvW-Anwalt Großmann hat in den vergangenen Tagen das 800 Seiten umfassende Gerichtsgutachten des Grazer Experten Fritz Kleiner durchgearbeitet. Darin ist laut Großmann unter anderem von Anlegertäuschung und Kursmanipulation die Rede. Wolfgang Auer-Welsbach hat die Vorwürfe stets bestritten. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Dreistelliger Millionenschaden?

Die genaue Schadenssumme lässt sich nicht beziffern. Wilhelm Rasinger, Präsident des Interessensverbandes für Anleger (IVA), geht davon aus, dass es sich um einen „niedrigen dreistelligen Millionenbetrag handeln dürfte“. Rasinger hatte im Vorjahr geschätzt, dass die Genussscheininhaber vielleicht zehn bis 20 Prozent des eingesetzten Kapitals zurückbekommen. „Wie das Ganze jetzt aussieht, lässt sich nicht sagen“, so Rasinger.

Die AvW-Gruppe besitzt laut ihrer Homepage noch Beteiligungen, wie am IT-Unternehmen S&T (29 Prozent), an den Industriefirmen Binder & Co (29 Prozent), Hirsch Servo (elf Prozent), RHI (drei Prozent) und an der börsenotierten C-Quadrat (33 Prozent). Wie viel ein Verkauf dieser Aktienpakete bringen könnte, lässt sich nicht abschätzen. „Denn ein Teil davon wurde verpfändet“, gibt AvW-Anwalt Großmann zu bedenken. Die AvW-Gruppe ist mit 14,10 Mio. Euro und die AvW-Invest mit 36,7 Mio. Euro verschuldet. Für das vergangene Geschäftsjahr wurden noch keine Ergebniszahlen veröffentlicht. 2008 meldete die AvW-Gruppe einen Bilanzverlust von 242,6 Mio. Euro.

Die Finanzmarktaufsicht (FMA) weist Vorwürfe von Anlegern, hier säumig gewesen zu sein, zurück. Denn laut Gesetz war die Behörde nur für die AvW-Invest und nicht für die AvW-Gruppe zuständig, heißt es in der FMA. Auch Rasinger fordert, dass die Kompetenzen der Aufsicht ausgeweitet werden.

Nun liegt der Ball bei der Justiz. Doch diese braucht bei der Aufklärung von mutmaßlichen Anlegerskandalen viel Zeit. Noch immer nicht aufgeklärt sind die Fälle „Meinl European Land“, Immofinanz-Constantia Privatbank, Madoff-Fonds und Libro. Auch die Causae „Kommunalkredit“ und Bawag sowie allfällige Beratungsfehler beim Finanzdienstleister AWD beschäftigt die Behörden. In den genannten Fällen weisen die betroffenen Personen und Firmen die Anschuldigungen zurück. Es gilt die Unschuldsvermutung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2010)

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