AvW-Anleger fordern Schadenersatz vom Staat

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Ein Gerichtsgutachter übt Kritik an der Aufsicht. Anleger kündigen eine Flut von Schadenersatzklagen an. Schätzungen zufolge sollen die mehr als 12.000 Anleger über 200 Mio. Euro verloren haben.

Wien. Muss der Staat für den Schaden bei der Finanzgruppe AvW aufkommen? Diese Frage wird nun die Gerichte beschäftigen. „Wir werden mehrere Sammelklagen einbringen. Eine davon wird sich gegen die Republik richten“, sagt Franz Kallinger, Chef des Prozessfinanzierers AdvoFin, zur „Presse“. Ähnliches ist von anderen Anlegeranwälten zu hören. Untersucht werden soll, ob die frühere Bundeswertpapieraufsicht (BWA) ihre Aufsichtspflichten verletzt hat.

Die BWA ist die Vorgängerorganisation der jetzigen Finanzmarktaufsicht. Der vom Gericht eingesetzte Gutachter Fritz Kleiner übt Kritik an der Rolle der Behörde. Denn im Zeitraum 2000/2001 wurde AvW unter die Lupe genommen – es habe aber keine angemessenen Konsequenzen gegeben.

Laut Gutachten hat Firmengründer Wolfgang Auer-Welsbach bis 2000 die Kurse der AvW-Genussscheine eigenhändig festgelegt: „Die Berechnungsblätter über den Kurs der Genussscheine hat Dr. Auer-Welsbach bis zum 2000 selbst erstellt.“ Der Sachverständige konnte die Berechnungen „weder intellektuell noch sachlich nachvollziehen“, heißt es in der Expertise. Wolfgang Auer-Welsbach bestreitet alle Anschuldigungen vehement. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Die Tatsache, dass die Bundeswertpapierbehörde 2000/2001 diese Vorgänge „weder näher untersuchte noch zur Anzeige brachte, entbehrt jeder juridischen Grundlage“, heißt es in dem Gutachten weiter. Genau diesen Punkt wollen die Anlegeranwälte als Basis für die Klagen hernehmen.

Für die BWA war im genannten Zeitraum Finanzminister Karl-Heinz Grasser zuständig. Die Behörde war jedoch weisungsfrei. Das BZÖ will in diesem Zusammenhang auch die Rolle von Grasser überprüfen lassen. Sein Anwalt Manfred Ainedter weist jede Einflussnahme seines Mandanten „auf das Schärfste“ zurück: „Grasser war hier nicht involviert.“

Ein Sprecher des Finanzministeriums wollte sich zu den angekündigten Klagen nicht äußern. Weder das Gutachten noch die Vorwürfe seien ihm bekannt. Von der Finanzmarktaufsicht heißt es dazu: Sobald die Vorwürfe gegen die Vorgängerorganisation bekannt wurden, „haben wir sie der Staatsanwaltschaft unverzüglich zur Kenntnis gebracht“. Die damaligen Prüfungen der BWA seien sehr kritisch ausgefallen, die Prüfer hätten die richtigen Fragen gestellt und auf gravierende Mängel hingewiesen. „Der kritische Prüfbericht wurde der BWA-Rechtsabteilung zur rechtlichen Würdigung übergeben. Diese hat aber in ihren Stellungnahmen lediglich in wenigen Punkten behördlichen Handlungsbedarf gesehen“, sagte FMA-Sprecher Klaus Grubelnik. Die involvierten Mitarbeiter der BWA-Rechtsabteilung seien vor Gründung der FMA aus der Aufsichtsbehörde ausgeschieden.

Klagen gegen Raiffeisenbank anhängig

Nach Angaben von Grubelnik unterstand aus der gesamten AvW-Gruppe lediglich die „AvW Invest AG“ als Wertpapierdienstleistungsunternehmen der FMA-Aufsicht. Im Zuge einer Vor-Ort-Prüfung der Behörde im Herbst 2008 seien Mängel festgestellt worden, die die FMA veranlassten, zur Erhebung des Sachverhalts einen Regierungskommissär einzusetzen. Die Ergebnisse der Prüfung seien der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht worden. Klagen von Anlegeranwälten sind bereits gegen die AvW-Depotbank, die Raiffeisenbezirksbank (RBB) Klagenfurt, anhängig. Deren Vorstand weist alle Anschuldigungen zurück.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) rät mutmaßlichen Geschädigten, sich in einem allfälligen Strafverfahren gegen Wolfgang Auer-Welsbach anzuschließen. Denn im Konkursverfahren sei vermutlich wenig zu holen. Schätzungen zufolge sollen die mehr als 12.000 Anleger über 200 Mio. Euro verloren haben.

AUF EINEN BLICK

Mehrere Anlegeranwälte bereiten in der Causa AvW Schadenersatzklagen gegen die Republik vor. Ihrer Ansicht nach soll eine Prüfung der AvW durch die Aufsicht im Zeitraum 2000/2001 ohne angemessene Konsequenzen geblieben sein. Der Masseverwalter Gerhard Brandl hat am Mittwoch die AvW-Invest geschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2010)

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