Staatsanwaltschaft: "Herr Meinl ist ein kapitaler Gegner"

Staatsanwaltschaft Herr Meinl kapitaler
Staatsanwaltschaft Herr Meinl kapitaler(c) Clemens Fabry
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Thomas Vecsey, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, sprach mit der "Presse" über endlose Verfahren, Datenmengen im Terabyte-Bereich und den ungleichen Kampf der Justiz mit trickreichen Staranwälten.

Wirtschaftsstrafverfahren dauern in Österreich besonders lang. Bestes Beispiel dafür ist der Konkurs des Softwareanbieters Yline. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt seit 2002. Werden wir das zehnjährige Jubiläum des Verfahrens erleben?

Thomas Vecsey: Yline trifft unsere Probleme im Kern. Der Grund, warum es länger dauert, ist unser Personalmangel. Gewisse Verfahren mussten nach hinten gereiht werden. Bei Yline liest sich gerade ein junger Kollege ein.

Alexander Marchart ist schon der vierte Staatsanwalt, der sich mit der Causa befasst.

Das stimmt. Der dritte ist durch die Bank Medici und Mensdorff-Pouilly verhindert. Die beiden Fälle nehmen seine Kapazitäten zur Gänze in Anspruch. Kollege Marchart hat sich zum Ziel gesetzt, den Fall in einem halben, dreiviertel Jahr abzuschließen. Das ist ein Riesenverfahren, die Unterlagen füllen ganze Behördenräume. Es dauert natürlich, bis sich jemand da eingelesen hat.

Bei der Buwog scheint derzeit ebenfalls nicht viel weiterzugehen. Wieso gab es bisher keine Einvernahme von Karl-Heinz Grasser, keine Kontoöffnung und keine Hausdurchsuchung?

Auch die Buwog ist ein extrem komplexer Sachverhalt mit Unmengen von Unterlagen. Allein rund um die Constantia sind Datenmengen im Ausmaß von 127 Terabyte sichergestellt worden. Gegen Karl-Heinz Grasser haben wir bisher nur Indizien, und die rechtfertigen es nicht, mit Grundrechtseingriffen gegen ihn vorzugehen.

Weil Grasser eine Person des öffentlichen Interesses ist, gilt für den Staatsanwalt Berichtspflicht. Wie sehr behindert Sie das?

Im Fall Grasser gab es noch keinen schriftlichen Vorhabensbericht. Aber generell ist der Vorgang der Berichtspflicht gesetzlich vorgeschrieben, und wir müssen uns daran halten. Unsere Berichte gehen an die Oberstaatsanwaltschaft, dann ans Ministerium. Und bis das wieder zurückkommt, vergeht natürlich Zeit.

Unter dem Strich heißt das, dass für Prominente andere Regeln gelten: Weil alles so lange dauert, haben sie viel Zeit, belastendeUnterlagen zu verräumen.

Die Behördenwege sind länger. Das kann man nicht leugnen.

Das Grundproblem in solchen Fällen ist doch, dass bestens ausgebildete Wirtschaftsanwälte auf Staatsanwälte treffen, die – freundlich ausgedrückt – im Bilanzlesen nicht sehr geübt sind. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner hat einst erzählt, sie habe sich ihre Wirtschaftskompetenz erst als Richterin im Bawag-Prozesses aneignen müssen. Läuft das bei Ihnen auch so?

Die Staatsanwälte erlernen das auch vorwiegend in ihrer Tätigkeit. Wir versuchen natürlich, unser Expertenwissen in alle Richtungen auszuweiten. Das Problem ist trotzdem, dass es in komplexen Verfahren immer wieder Fragen gibt, die wir durch externe Experten, etwa durch Wirtschaftstreuhänder, prüfen lassen müssen. Schön wäre es, wenn wir die Möglichkeit hätten, solche Leute auch bei uns zu beschäftigen. So würden wir vermeiden, immer Sachverständige beschäftigen zu müssen, die Geld kosten und das Verfahren in die Länge ziehen. Fakt ist aber, dass uns solche Fachkräfte nicht zur Verfügung stehen. Wir hoffen aber, dass sich das mit der Umsetzung des Wirtschaftskompetenzzentrum-Vorhabensändern wird.

Es soll 30 zusätzliche Planstellen für Staatsanwälte geben. Wie viele werden nach Wien kommen?

Wir haben jetzt fünf, von denen sich drei um Wirtschaftscausen kümmern werden. Brauchen könnten wir allein in der Wirtschaft sieben, acht Leute. Das wird aber daran scheitern, dass der Nachwuchs nicht da ist. Ein Staatsanwalt hat vier Jahre Ausbildungszeit.

Das heißt, die große Personaloffensive wird sich kaum auf Ihre Arbeitsbedingungen auswirken?

Nein, da hätte man die Offensive vor vier Jahren starten müssen.

Im Fall Meinl fangen Sie jetzt praktisch wieder von vorne an, nachdem der Gutachter wegen Befangenheit abgelöst werden musste. Haben Sie da einen Fehler gemacht?

Nein, das war eine ganz normale, ordnungsgemäße Gutachterbestellung. Zum Zeitpunkt der Benachrichtigung über die Person des Gutachters gab es keine Einwände der gegnerischen Partei. Erst nachdem wir mit Hausdurchsuchungen gegen den Beschuldigten vorgingen, wurde die Gutachterbestellung angefochten.

Und das geht dann noch?

Wie man jetzt sieht, geht das noch. Herr Meinl ist ein kapitaler Gegner. Er hat viele Anwälte und viel Geld. Der zuständige Staatsanwalt wird ständig angepatzt und persönlich attackiert, überdies wurden Falschinformationen über die Medien gestreut. Das ist alles nicht sehr schön, und man muss es erst einmal wegstecken.

Dagegen gibt es keine Handhabe?

Nicht sehr viel. Der Gegner kämpft mit allen Mitteln.

In einer perfekten Welt hätte das keine Auswirkungen auf das Verfahren.

Hat es auch nicht. Wir ermitteln weiter und lassen uns nicht einschüchtern. Aber bei uns geht es schon um die Frage, wer die Kosten für das Einscannen von Dokumenten zahlt. Das sind unsere kleinen Probleme.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2010)

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