Brauchen Österreichs Banken 20 Milliarden Euro?

Brauchen oesterreichs Banken Milliarden
Brauchen oesterreichs Banken Milliarden(c) EPA (HERBERT PFARRHOFER)
  • Drucken

Der internationale Bankenverband kämpft in Wien gegen strengere Regeln für die Finanzbranche. Diese würden 9,7 Millionen Jobs kosten. Zusätzlich müssten die Banken ihr Eigenkapital massiv erhöhen.

Wien (höll).Der Weltbankenverband IIF fährt im Kampf gegen strengere Vorschriften schwere Geschütze auf. Kommen die neuen Eigenkapitalvorschriften, im Fachjargon „Basel III“ genannt, werde sich das Wirtschaftswachstum drastisch abschwächen, weil weniger Kredite vergeben werden könnten. Dies würde bis 2015 weltweit 9,7 Millionen Arbeitsplätze kosten. Das geht aus einer am Donnerstag in Wien vorgelegten Studie des Verbands hervor. Der Chef der Deutschen Bank und IIF-Präsident Josef Ackermann appellierte an die Aufsichtsbehörden, bei der Einführung der neuen Regeln besonnen vorzugehen. „Eine zu schnelle Implementierung ist nicht sehr weise, wenn die Wirtschaft sich nur langsam erholt“, warnte Ackermann. Noch deutlicher wird IIF-Direktor Peter Sands, Chef der britischen Bank Standard Chartered: „Es gibt einen Preis dafür, das Bankensystem sicherer und stabiler zu machen: Und dieser Preis wird unvermeidbar von der Realwirtschaft getragen.“

An der IIF-Frühjahrstagung in Wien nehmen Finanzgrößen aus aller Welt teil – darunter US-Finanzinvestor George Soros und EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Der Weltbankenverband vertritt als Lobbying-Organisation 400 Finanzkonzerne.

Die Organisation wehrt sich gegen den ersten „Basel III“-Entwurf, den Notenbanker und Aufseher im vergangenen Dezember vorgestellt haben. Bis Ende 2010 können noch Änderungsvorschläge eingebracht werden. Bis Ende 2012 muss das Regelwerk umgesetzt werden. Bislang sind nur vage Schätzungen über die Auswirkungen von „Basel III“ vorgelegen. In Wien hat der Bankenverband erstmals konkrete Zahlen präsentiert. Der Zeitpunkt der Studie wurde mit Bedacht gewählt: Am 26. und 27. Juni treffen sich die Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrieländer (G20) in Toronto, um über die Reform der Finanzmärkte zu diskutieren.

Folgen auch für Osteuropa

Laut Angaben des Bankenverbands würde „Basel III“ dazu führen, dass das Bruttoinlandsprodukt in den G3-Regionen (USA, Japan und Eurozone) bis 2015 um 3,1 Prozent niedriger ausfällt. Die stärksten Einbußen würden im Euroraum zu spüren sein, wo die Wirtschaftsleistung um 4,3 Prozent niedriger sein dürfte. Die USA wären mit einem Rückgang von 2,6 Prozent betroffen, in Japan sollen es 1,9 Prozent sein.

In der Studie rechnet der Bankenverband weiters vor, dass die Banken in den G3-Ländern in den Jahren 2010 bis 2015 ihr Eigenkapital um 636 Mrd. Dollar (530 Mrd. Euro) anheben müssten. Europa wäre mit 273 Mrd. Dollar besonders stark betroffen.

Noch dramatischer sind die Auswirkungen bis 2020. Bis dahin sollen allein die Institute in der Eurozone das Eigenkapital um 738 Mrd. Dollar erhöhen. Konkrete Zahlen zu Österreich wurden in der 160 Seiten starken Analyse nicht vorgelegt. Dennoch gibt es eine Indikation über die Folgen für Österreich: Gemessen an der Bilanzsumme kommen die heimischen Banken in der Eurozone auf einen Marktanteil von 3,4 Prozent. Dies würde für Österreichs Institute bis 2015 einen Kapitalbedarf von 9,2 Mrd. Dollar und bis 2020 von rund 25 Mrd. Dollar (20,8 Mrd. Euro) bedeuten.

Tatsächlich dürften die Auswirkungen auf Österreichs Finanzbranche noch größer sein. In der Studie heißt es, dass Österreichs Banken ein überdurchschnittlich hohes Kreditvolumen in Osteuropa ausständig hätten. Der Bankenverband befürchtet, international tätige Finanzkonzerne könnten ihre Aktivitäten in Osteuropa zurückfahren. Bereits 2009 seien 47 Mrd. Dollar aus der Region abgezogen worden. Die IIF-Expertise dürfte in Österreich Auswirkungen auf die Diskussion um die Einführung einer Bankensteuer haben. Die Bankdirektoren warnen schon seit Längerem, dass die Belastungen einer solchen Abgabe in erster Linie die Kunden zu tragen hätten.

Heute wird Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) bei der IIF-Frühjahrstagung sprechen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat seine Teilnahme wegen einer Terminkollision abgesagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

„Der westliche Kapitalismus muss reformiert werden“

Ungarns Premier Viktor Orbán will die Krise gemeinsam überwinden.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.