Brigitte Ederer - der Abgang einer Ungeliebten

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Die Chefin von Siemens Österreich zieht nach fünf Jahren Bilanz und übersiedelt nach München. Ederer ist ab 1. Juli im Siemens-Vorstand für Europa und als „Arbeitsdirektor“ für Personalfragen zuständig.

WIEN (p.m.). Viele Alt-Siemensianer haben „die Gitti“, wie sich die bisherige Vorstandsvorsitzende von Siemens Österreich gerne rufen lässt, nicht wirklich lieb gewonnen. Das weiß Brigitte Ederer auch: „In diesem Job lernt man, dass man nicht immer geliebt werden kann“, sagt sie Montagabend einer Journalistenrunde.

Ederer, 1983 mit 27 jüngste Nationalratsabgeordnete Österreichs, dann Staatssekretärin und Wiener Stadträtin (SPÖ), wurde 2001 in den Vorstand des österreichischen Industrieriesen geholt. Als sie 2005 Albert Hochleitner ablöste, hatte Siemens 7919 Mitarbeiter. Die Zahl stieg mit der Wassersparte der VA-Tech über 8000. Am Bilanzstichtag 30. September 2009 waren es 7762, und heuer werden es noch weniger sein. Aber der Umsatz stieg kontinuierlich, von 2,5 auf 2,97 Mrd. Euro. „Und wir schreiben schwarze Zahlen.“

Besonders hart waren die Einschnitte bei der Software-Tochter PSE. „Nach dem Wegfall der Telefonie musste die Sparte reduziert werden“, sagt Ederer. Die Programmierschmiede wurde von mehr als 3000 auf heute 1600 Personen halbiert und verteilt. „Im Vergleich dazu sind Verhandlungen zum EU-Beitritt angenehm.“ Und: „PSE muss ich kein zweites Mal haben“, so Ederer.

Die Zerschlagung der Software-Sparte wird ihr nicht verziehen. Anfang Juni blieben die Betriebsräte der Eröffnungsfeier der „Siemens City“ in Wien-Floridsdorf fern. „Wahrscheinlich wäre es sinnvoller gewesen, ein paar der Millionen Euro, die die neue Siemens City gekostet hat, in Forschung und Entwicklung zu investieren“, ätzt der Betriebsrat.

150 Millionen für Siemens City

Ederer ist auf die 150 Millionen Euro, die in die neue Zentrale von Siemens Österreich investiert worden sind, stolz. Wie auch auf die Tatsache, dass die Landesgesellschaft sechs „Weltkompetenzzentren“ des Konzerns betreiben darf. Peter Löscher, Landsmann an der Spitze des Konzerns, bestätigt: Österreich sei als Zentrale für den 19-Länder-Cluster Mittel- und Osteuropa besonders wichtig.

Ederer ist ab 1. Juli im achtköpfigen Münchener Siemens-Vorstand für Europa und als „Arbeitsdirektor“ für Personalfragen zuständig. „Da geht es nicht nur um Werkschließungen, sondern auch um strategische Entwicklung.“ Als Österreich-Chefin habe sie stets auf Ausbildung gesetzt. „Auch jetzt bilden wir 610 Lehrlinge aus.“

Kritiker sind nicht verwundert, dass ihr Löscher ausgerechnet den Posten des Arbeitsdirektors angeboten hat: Sie habe in Wien bewiesen, dass sie Umgestaltung und Personalabbau „meisterhaft beherrscht“. Ederer sieht das durch die eigene Brille. „Begonnen habe ich den Chef-Job mit der VA-Tech-Integration.“ Damals sei der Mitarbeiterstand sogar über 8000 gestiegen, sagt sie. Ja, aber nach dem Abbau von 3000 Leuten, erwidert die Statistik. „Wenn die Wirtschaft nicht zusammenbricht, habe ich geschafft, dass die großen Baustellen weg sind.“ Sie wacht darüber als Aufsichtsratsvorsitzende.

„Gruppenbesteuerung ist gut“

Obwohl sie es sich zur Regel gemacht habe, sich nicht in die Politik einzumischen („Sie ist meine große Liebe, will aber nichts mehr von mir wissen“), widerspricht Ederer der eigenen SPÖ: „Die Gruppenbesteuerung finden wir bei Siemens gut, wie auch die Forschungsförderung in Österreich.“

Was sie schlecht findet? „Das Bildungsniveau und die Verschleppung der Verwaltungsreform.“ Nachsatz: „Die vielen Instanzen kreieren nur neue Probleme.“

Ederers Nachfolger, Ex-Porr-Chef Wolfgang Hesoun (50), kehrt am 1. September „heim“. Er ist 1983 in der Siemens-Kraftwerkssparte ins Berufsleben gestartet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2010)

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