Staat macht Jagd auf Steuersünder – und erntet Kritik

Staat macht Jagd Steuersuender
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Das neue Finanzstrafgesetz soll noch im Juli den Ministerrat passieren. Es sieht vor, dass Steuerhinterziehung künftig schneller mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Widerstand hegt sich bereits.

Wien. Am gestrigen Freitag ging die Begutachtungsfrist für die Novelle zum Finanzstrafgesetz zu Ende. Sie sieht vor, dass Steuerhinterziehung künftig schneller mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Dagegen hagelt es Widerstand. Die österreichischen Rechtsanwälte lehnen den Entwurf sogar gänzlich ab. Aber auch bei den Notaren und den Steuerberatern ist der Unmut groß.

Einer der größten Steine des Anstoßes: Das „Beraterprivileg“ soll eingeschränkt werden. Waren früher Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte oder Notare erst dann zu belangen, wenn ihnen im Zuge der Beratung schweres Verschulden nachzuweisen war, genügt dafür künftig Fahrlässigkeit.

Konkret: Unterlaufen einem Berater Fehler, durch die dem Staat mehr als 30.000 Euro an Steuern entgehen, kann der Betroffene mit einer Strafe von bis zu 100.000 Euro belegt werden. Werden mehr als 100.000 Euro an Steuern nicht bezahlt, droht eine Strafe von bis zu einer Million Euro.

Rechtsanwalt Christian Eberl kritisiert: „So wie die Regelung bisher war, hat sie der Tätigkeit des Beraters am besten entsprochen.“ Der Jurist macht einen Vergleich: Ein Berater, der für ein Kleinunternehmen tätig ist, begeht einen groben Fehler, durch den dem Staat 20.000 Euro an Steuern entgehen. Bei einem Großbetrieb wären es beim gleichen Fehler vielleicht 200.000 Euro. „Auch bei einem niedrigem Betrag kann grobes Verschulden vorliegen“, sagt Eberl.

Wenn man schon Grenzen festlegt, „auch wenn das nicht gerechter ist“, müsste man diese zumindest weit höher ansetzen. Die Notariatskammer argumentiert, dass Fehler wahrscheinlicher werden, wenn die Anzahl der Beratungen steige. Eine Strafe solle also nur bei schwerem Verschulden ausgesprochen werden. Weiters sieht die Novelle vor, dass Steuerhinterziehung ab 100.000 Euro mit einer Freiheitsstrafe zu belegen ist. Zusätzlich soll eine Geldstrafe erfolgen. Auch der Abgabenbetrug, den es vorher als Tatbestand nicht gab, soll künftig strafbar sein.

„Hohe Strafen schrecken ab“

Wer also Rechnungen fälscht, um damit Steuern zu hinziehen, muss möglicherweise bis zu zehn Jahre ins Gefängnis gehen – und zusätzlich droht ihm auch noch eine Geldstrafe bis zu zwei Mio. Euro. „Das zwingende Verhängen von einer Geld- und einer Freiheitsstrafe ist aus strafrechtlicher Sicht unangemessen“, sagt Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages. Natürlich könne man beide Strafen verhängen, das aber liege im „richterlichen Ermessen“. Zudem seien die Höchststrafen zu hoch, „auch im Verhältnis zu anderen Eigentumsdelikten“.

Ein anderer Jurist, der nicht genannt werden will, gibt zu bedenken, dass sich Geschädigte in anderen Betrugsfällen als Privatkläger einem Strafverfahren anhängen können. Damit lässt sich argumentieren: Der Staat macht hier nichts anderes, er tritt eben selbst als Geschädigter auf. Experte Eberl interpretiert die Absichten des Gesetzgebers so: „Durch die Androhung von hohen Strafen sollen Finanzvergehen vermieden werden. Die Abschreckung steht im Vordergrund.“

Die Novelle kann jedoch auch noch geändert werden. Aus dem Finanzministerium heißt es, man sei gegenüber vernünftigen Vorschlägen offen. Geht es nach dem Ministerium, soll der Entwurf so schnell wie möglich, am besten am 20. Juli, dem Ministerrat vorgelegt und nach dem Sommer vom Parlament beschlossen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2010)

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