Öl-Desaster: Eine Ausnahme, aber kein Einzelfall

(c) AP (JAMES EDWARD BATES)
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Das Desaster im Golf von Mexiko ist besonders drastisch. Kleinere Ölaustritte gibt es bei Bohrinseln oder Pipelines aber regelmäßig. Politiker fordern zunehmend Bohr-Moratorien.

Wien. Dauert es noch bis Mitte August oder kommt es zu den Bedingungen einer „perfekten Welt“, wie es BP-Krisenmanager Bob Dudley jüngst ausdrückte. Dann könnten die Entlastungsbohrungen im Golf von Mexiko bereits Ende Juli fertig sein und zumindest den Nachschub für die Ölpest beenden. An den Folgen des bereits ausgetretenen Öls werden Umwelt und Bewohner der Region aber in jedem Fall noch monatelang leiden.

Das Desaster rund um die am 20.April explodierte Bohrinsel „Deep Water Horizon“ ist von seinem Ausmaß her eine Ausnahme. Es ist die größte Ölpest in der Geschichte der USA und auch weltweit in einem unrühmlichen Spitzenfeld. Doch es ist bei weitem nicht der einzige Austritt von Öl in den vergangenen Wochen. Denn täglich kommt es weltweit zu Dutzenden „Oil spills“ bei Bohrinseln, Pipelines oder Tankern.

Jedes Jahr tausende Ölteppiche

234 solche Vorfälle vermeldete allein BP im Vorjahr. 1,2 Mio. Liter Öl wurden dabei „verloren“. Das ist zwar nur rund ein Drittel jener Menge, die zurzeit täglich an den Absauganlagen vorbei in den Golf von Mexiko strömt. Im Jahr 1989 reichten aber 40 Mio. Liter Öl aus dem Tanker Exxon Valdez aus, um den Prince William Sund in Alaska auf Jahre hinaus zu verschmutzen.

Ähnliche Zahlen liefern auch die BP-Konkurrenten. So gab es bei Exxon Mobil 241 „Oil Spills“ mit etwa 350.000 ausgetretenen Litern. Shell vermeldete aufgrund von technischen Defekten 264 Ölaustritte mit einer Gesamtmenge von 1,5 Mio. Litern. Weitere 95 Vorfälle gab es bei dem holländisch-britischen Konzern in Folge von Diebstahl oder Sabotage – vor allem in Nigeria. So wurde eine Pipeline durch eine Bombe abschnittsweise zerstört. Eine andere wurde von Dieben angebohrt. Durch das Loch flossen daraufhin 16,2 Mio. Liter Öl in die Umwelt.

Wie viel Liter Öl weltweit pro Jahr anstatt in Raffinerien im Meer landen oder im Boden versickern, ist nicht bekannt. Die EU-Meeressicherheitsbehörde Emsa sucht jedoch mittels Satelliten nach Ölteppichen in europäischen Gewässern. 2008 wurden die Umweltpolizisten zwischen Portugal und Finnland knapp 1000 Mal fündig.

Nicht immer stammt das Öl dabei von Bohrinseln oder Tankern. So strömen etwa auch bei Unfällen von Frachtern große Mengen ins Meer. Dennoch sieht die Politik den aktuellen Fall vor der Küste Louisianas als Anlass, um ein Moratorium von Tiefseebohrungen zu fordern. US-Präsident Barack Obama führte so eines bereits im Mai ein, musste es aber nach einer Entscheidung eines Gerichts wieder zurücknehmen. In der Nacht auf Freitag wies auch das Berufungsgericht das sechsmonatige Bohrverbot zurück. Die Regierung müsse genauer darlegen, warum bereits genehmigte Bohrungen eine akute Gefahr darstellen, so die Richter. Die US-Regierung hat in der Folge ein neues Moratorium mit genauerer Angabe der Gründe angekündigt. Und Florida will ein Verbot von Ölbohrungen sogar in seiner Verfassung verankern.

„Regeln in Europa sind streng“

Wie die „Presse“ berichtete, plant auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger ein Moratorium für Tiefseebohrungen und strengere Richtlinien. Von Branchenvertretern wird das abgelehnt. „Die Regeln in Europa sind sehr streng und reichen aus. Sie müssen nur kontrolliert werden“, sagt Wolfgang Zimmer von der Ölbohrfirma ADX Energy. „Wenn jemand betrunken und zu schnell in der 30-km/h-Zone fährt, hilft es ja auch nicht, die Straßenverkehrsordnung zu verschärfen.“

Auf einen Blick

Die Ölpest im Golf von Mexiko ist eine der größten in der Geschichte. Kleinere Austritte von Öl gibt es aber jedes Jahr in Tausenden von Fällen. So musste etwa BP im Vorjahr 234 solche „Oil spills“ vermelden. In EU-Gewässern wurden knapp 1000Ölteppiche registriert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2010)

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