NÖ-Hypo: Eine Affäre, die sich nicht mehr stoppen lässt

Bruckberger
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Die Grünen rufen wegen rechtswidriger Weisung den Korruptionsstaatsanwalt an. Ermittler wurden von der Oberstaatsanwaltschaft Wien gerüffelt. Die FMA-Ermittlungen laufen trotz des Ermittlungsstopps weiter.

Wien. Wenn die Staatsanwaltschaft gegen eine Bank wegen des Verdachts der Bilanzmanipulation ermittelt, ohne einen Bilanzexperten hinzuzuziehen, dann ist das zwar nicht verboten, aber „ungewöhnlich“, hört man aus Kreisen der Finanzmarktaufsicht.

In Niederösterreich allerdings nicht: Bei den (derzeit gestoppten) Ermittlungen gegen die landeseigene Hypo Niederösterreich (es geht um Verlustverschleierung und Untreue, es gilt die Unschuldsvermutung) hat man das bisher nicht für notwendig gehalten. „Wir haben bisher kein Gutachten eingeholt“, bestätigt der Sprecher der Staatsanwaltschaft St. Pölten, Gerhard Sedlacek. „Wir überlegen aber, ob das vielleicht künftig notwendig sein könnte.“

Falls das Verfahren überhaupt weitergeführt wird. Denn die Staatsanwaltschaft St. Pölten hat, wie berichtet, schon im Juli einen Vorhabensbericht abgeliefert, der derzeit im Justizministerium liegt – und angeblich die Einstellung des Verfahrens empfiehlt.

Dem Landeskriminalamt St.Pölten wurden weitere Ermittlungen per mündlicher Weisung untersagt. Und die LKA-Ermittler wurden von der Oberstaatsanwaltschaft Wien in der vorigen Woche schwer gerüffelt, weil sie gemeint hatten, es gebe noch genug zu ermitteln in der Causa Landesbank.

Fall für Korruptionsstaatsanwalt

Es sieht für Außenstehende also ein wenig danach aus, als würde der Staatsanwalt gar nicht so genau wissen wollen, was in der Hypo Niederösterreich wirklich geschehen ist. Stoppen wird sich die Sache nach dem Wirbel um die Weisung an die Polizei aber wohl nicht mehr lassen.

Diese Weisung könnte übrigens bald ein juristisches Nachspiel haben: Die niederösterreichischen Grünen werden demnächst bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung einbringen. Sie betrachten die Weisung, von der Staatsanwalt-Sprecher Sedlacek sagt, man könne das „nicht Weisung nennen, es war eine Mitteilung, dass wir bis auf Weiteres keine Ergebnisse mehr brauchen“, als rechtswidrig.

Sie berufen sich dabei auf den Artikel 20 der Bundesverfassung (der Weisungen regelt und die Befolgung rechtswidriger Weisungen verbietet) in Verbindung mit den strafgesetzlichen Bestimmungen über die Begünstigung.

Die Argumentationskette: Durch die Einstellung der Ermittlungen per Weisung würden möglicherweise Personen der Strafverfolgung entzogen. Madeleine Petrovic von den niederösterreichischen Grünen: „Ich kann den Beamten vom Landeskriminalamt nur raten, sich diese Weisung schriftlich geben zu lassen. Sonst bleiben am Ende wieder kleine Beamte übrig.“

FMA ermittelt weiter

Gegen die Hypo liegen zwei Anzeigen vor: Eine von der Finanzmarktaufsicht wegen des Verdachts der Bilanzmanipulation und der Untreue, die sich gegen die früheren Vorstandsmitglieder Peter Harold und Richard Juill richten. Beide weisen die Vorwürfe strikt zurück, es gilt die Unschuldsvermutung. Und eine vom BZÖ, die sich konkret gegen niederösterreichische Politiker richtet. Parallel dazu ermittelt die FMA wegen des Verdachts der Verletzung der Großkreditgrenzen im Zusammenhang mit einer irischen Zweckgesellschaft der Hypo.

Diese FMA-Ermittlungen laufen trotz des Ermittlungsstopps der Staatsanwaltschaft weiter, werden aber wohl noch ein bis zwei Jahre dauern. Sie haben aber keine strafrechtliche Relevanz: Sollte sich der Verdacht erhärten, dann käme es nur zu einer Abschöpfung illegal erzielter Gewinne per Pönalezahlungen.

Die strafrechtliche Seite liegt bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten. Und da bemerken Beobachter manchmal Seltsames: Die BZÖ-Anzeige gegen konkrete Personen hätte demnach normalerweise (ganz unabhängig von deren Stichhaltigkeit) zu Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der Immunität der Betreffenden führen müssen. Hat sie bisher aber nicht. Und dass die Ermittlungen zur FMA-Anzeige einfach sang- und klanglos eingestellt werden sollten, hat bei den Finanzmarktaufsehern ein wenig Kopfschütteln ausgelöst. Schließlich ist der Teil der (möglichen) Affäre, die die irischen Zweckgesellschaften betrifft, noch gar nicht unter die Lupe genommen worden.

Geheimnisvolles Irland

Das wäre aber höchst interessant: Das Land Niederösterreich hat für die Verwaltung seiner Finanzbeteiligungen und seines Vermögens ja eine ziemlich komplexe (manche sagen auch: undurchsichtige) Konzernstruktur aufgebaut. An deren Ende stehen in Irland angesiedelte Fonds mit klingenden Namen wie Augustus und Carolus.

Diese „speziellen Gesellschaften nach irischem Recht“ sind laut Rechnungshof geschaffen worden, damit „die Capital Notes der Vermögensverwaltung OG – entgegen dem Marktwertprinzip des österreichischen Investmentfondsgesetzes – nicht mark to market bewertet bzw. gegebenenfalls nicht abgeschrieben werden müssen“.

Weniger kompliziert ausgedrückt: um dort Dinge abzulagern, die man in der Bankbilanz nicht so gerne sehen würde. Die FMA hegt da immerhin den Tatverdacht der unrichtigen Vermögensangabe. Ein Delikt, das mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden könnte. Es wäre also nicht so unlogisch, wenn sich eine Staatsanwaltschaft dafür interessieren würde.

Die Iren-Fonds sind noch aus einem anderen Grund interessant: Zur Land Niederösterreich Vermögensverwaltung OG, die dieses Vehikel nutzt, gehören ja auch die Fonds Niederösterreich I bis Niederösterreich IV. Das sind jene Fonds, in denen das Land den Erlös aus seinen verkauften Wohnbaudarlehen mehr schlecht als recht anlegt.

Von 2002 bis 2008 haben diese Fonds ihr Veranlagungsziel laut Rechnungshof um knapp eine Milliarde Euro verfehlt. Konkret: Wenn Niederösterreich die Wohnbaudarlehen nicht „verwertet“, sondern weiter die Rückflüsse aus diesen Darlehen kassiert hätte, wären eine Milliarde mehr in der Landeskassa geblieben. Die (von Landespolitikern bekämpfte) Aussage, mit dem „Verkauf“ der Wohnbaudarlehen sei eine Milliarde Euro in den Sand gesetzt worden, ist also nicht so weit hergeholt.

Ein Einblick in die irischen Gesellschaften könnte also auch Licht ins Dunkel des Wohnbaudarlehen-Desasters der Niederösterreicher bringen. Aber das will im Land wohl wirklich niemand so genau wissen.

AUF EINEN BLICK

Die Grünen wollen in der Affäre um die niederösterreichische Landesbank die Korruptionsstaatsanwaltschaft befassen. Sie halten die Weisung der Staatsanwaltschaft an das Landeskriminalamt, die Ermittlungen „bis auf Widerruf“ einzustellen, für rechtswidrig. Experten halten es zudem für „ungewöhnlich“, dass Ermittlungen wegen des Verdachts der Bilanzfälschung de facto eingestellt werden, ohne einen Bilanzexperten zur Rate zu ziehen. Die Staatsanwaltschaft St. Pölten erklärt dazu, es sei nicht auszuschließen, dass nach einem eventuellen Ende der derzeitigen Ermittlungspause ein Bilanzgutachter beauftragt werde. Die Finanzmarktaufsicht ermittelt weiter wegen des Verdachts der Verletzung der Großkreditgrenze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2010)

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