Hypo Alpe Adria: Amnestie-Angebot für 8000 Mitarbeiter

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Weil die Ermittlungen im Hypo-Skandal stocken, macht die Bank nun allen 8000 Mitarbeitern im In- und Ausland ein Amnestieangebot. Damit hofft das Institut, den einen oder anderen Betrugsfall aufklären zu können.

Wien. 8000 aktive und ehemalige Mitarbeiter der Kärntner Hypo-Alpe-Adria erhielten am Mittwoch brisante Post: Bankchef Gottwald Kranebitter und die von Finanzminister Josef Pröll eingesetzte Ermittlertruppe CSI Hypo bieten allen, die an kriminellen Vorgängen beteiligt waren oder davon Bescheid wussten, eine weitgehende Amnestie an.

Jeder, der freiwillig „einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung von zivil- oder strafrechtlich relevanten Vorgängen in der Vergangenheit“ leistet, wird von der Bank nicht angezeigt. Der Brief liegt der „Presse“ vor. Die Amnestie ist bis 7. Jänner 2011 befristet.

Mitarbeiter, die auspacken, werden nicht auf Schadenersatz geklagt – sofern keine Selbstbereicherung vorliegt. Zudem sagt die Hypo zu, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht einseitig durch Entlassung gelöst wird. Ausgenommen davon sind jedoch „Haupttäter“ – wie ehemalige Vorstände und andere Spitzenkräfte, die der Bank im großen Stil Geld entzogen haben sollen. Das Schreiben richtet sich in erster Linie an Mitarbeiter in der zweiten und dritten Führungsebene. Viele von ihnen seien von früheren Vorständen gezwungen worden, pflichtwidrige Handlungen zu setzen, heißt es. Diese Leute zeigten bislang aber wenig Kooperationsbereitschaft, weil sie zivilrechtliche Konsequenzen befürchten mussten. Aus dieser Zwangslage sollen sie nun befreit werden.


Neutraler Ombudsmann prüft
Dazu setzt die Hypo mit dem Wirtschaftsprüfer Grant Thornton einen unabhängigen und neutralen Ombudsmann ein. Dieser prüft, ob eine Teilnahme am Amnestieprogramm möglich sei. Hypo-Leute können via Handy und E-Mail mit Grant Thornton in Wien Kontakt aufnehmen. Allerdings betont die Bank ausdrücklich, dass die Amnestie nicht vor einer strafrechtlichen Verfolgung schützt. „Unser Unternehmen kann Mitarbeiter nicht davon freistellen, dass Ermittlungen von staatlichen Behörden eingeleitet beziehungsweise durchgeführt werden“, schreibt der Vorstand. Allerdings werde man darauf einwirken, dass die Strafverfolgungsbehörden die Kooperationsbereitschaft entsprechend würdigen.

In Österreich ist eine solcher Aufruf an die Belegschaft einzigartig, nicht aber im Ausland. Siemens konnte die Aufarbeitung von Korruptionsvorwürfen mit einer Amnestieregelung beschleunigen.

Die Erhebungen im Hypo-Skandal sind ins Stocken geraten. Nach der Verstaatlichung des Instituts im Vorjahr wurden die Ermittlertruppen CSI Hypo und Soko Hypo gegründet. Zwar gibt es bislang 60 Beschuldigte. Doch nur der frühere Hypo-Chef, Wolfgang Kulterer, sitzt in Untersuchungshaft. Gegen ihn liegen aber nur vergleichsweise geringfügige Anschuldigungen vor: Es geht um ein Darlehen von zwei Mio. Euro an die Fluglinie Styrian Airways und um einen Kredit an Detektiv Dietmar Guggenbichler – hier liegt der Schaden bei 180.000 Euro.

Anfang Dezember müssen sich vier Exmanager der Hypo am Landesgericht Klagenfurt einem Arbeitsprozess stellen. Die Bank fordert von drei Exvorständen und einem Bereichsleiter 1,5 Mio. Euro. Die Personen sollen Kredite ohne ausreichende Besicherung vergeben haben. Alle Betroffenen bestreiten die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.


20 Mio. Euro Schadenersatz
Die CSI Hypo hat in 60Fällen die Justiz eingeschaltet, aber nur ein halbes Dutzend Schadenersatzklagen eingereicht. Derzeit belaufen sich die Forderungen gegen ehemalige Manager auf zehn Mio. Euro. In den nächsten Tagen sollen weitere Anzeigen eingebracht werden, sodass sich die Schadenssumme bis Ende November auf 20Mio. Euro erhöhen wird.

Noch im Frühjahr war von Vertretern der CSI Hypo behauptet worden, dass der Bank ein „dreistelliger Millionenbetrag“ – rund 300 Mio. Euro – entzogen wurde. Heute heißt es, dass sich die Aufarbeitung der Vergangenheit schwieriger gestaltet als erwartet. Nur mit einer Staatshilfe von 1,5 Mrd. Euro konnte die Hypo gerettet werden. Für heuer wird dem Vernehmen nach ein Verlust zwischen 700 Mio. und einer Mrd. Euro erwartet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2010)

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