Studie: Mehr Wachstum dank weniger Kinder

Mehr Wachstum dank weniger
Mehr Wachstum dank weniger(c) Erwin Wodicka
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Die alternde Bevölkerung gilt als große wirtschaftliche Gefahr für Länder wie Österreich. Der Geburtenrückgang kann aber auch zu mehr volkswirtschaftlichem Wohlstand führen - laut einer Studie der TU Wien.

Wien. Ohne Zuwanderung würde Österreichs Bevölkerung von derzeit 8,4 Millionen Menschen bis 2050 auf 7,4 Millionen Menschen schrumpfen. Das ist das Ergebnis der jüngsten Bevölkerungsprognose, die von der Statistik Austria am Mittwoch veröffentlicht wurde. Der Grund dafür ist, dass österreichische Frauen im Schnitt nur 1,4 Kinder in ihrem Leben bekommen. Rund zwei Kinder wären jedoch notwendig, um die Bevölkerungszahl zumindest stagnierend zu halten. Dennoch wird Österreichs Bevölkerung bis 2050 auf rund 9,5 Millionen Menschen ansteigen – durch Zuwanderung, aber auch dadurch, dass die Österreicher im Schnitt wesentlich älter werden. So steigt die Zahl der über 60-Jährigen von derzeit 23 Prozent auf über ein Drittel an.

Diese Entwicklung bereitet vor allem Wirtschaftsforschern Sorgen, da mit den fallenden Geburtenraten und der Alterung der Gesellschaft oft negative Auswirkungen auf das Wachstum verbunden werden. Laut einer Studie der TU Wien muss das aber nicht zwangsläufig so sein. Demnach könnte die schrumpfende Anzahl an Kindern auch zu einer Steigerung des Wirtschaftswachstums führen.

Mehr Ressourcen pro Kopf

Der Hauptgrund für dieses überraschende Ergebnis der Modellrechnungen ist, dass ein Rückgang der Geburten „bei den Eltern Ressourcen freisetzt, die idealerweise in die Ausbildung der Kinder fließen“, so Alexia Fürnkranz-Prskawetz, Professorin am Institut für Wirtschaftsmathematik. Diese höhere Ausbildung führt im Berufsleben in weiterer Folge zu qualifizierteren Jobs und höherer Produktivität. Der Effekt beschränkt sich dabei jedoch nicht nur auf das private Umfeld der – seltener werdenden – Kinder.

So sinken etwa auch in den Schulklassen die Schülerzahlen, was zu besserer Betreuung und in weiterer Folge besserer Ausbildung führt. Aber auch in der Arbeitswelt führt eine „Verteilung der vorhandenen Produktionsmittel auf eine kleinere Bevölkerung zu einer höheren Kapitalausstattung der einzelnen Arbeitskräfte“.

Konkret könnte das bedeuten, dass etwa in einer Fabrik die technische Ausstattung jedes Arbeiters besser und teurer wäre, wodurch auch seine Produktivität steigen würde. Mittelfristig würden diese Effekte zu einem höheren Wirtschaftswachstum und somit auch zu einem Anstieg des Wohlstandsniveaus führen.

Allerdings gibt es diese Entwicklung nur dann, wenn die frei werdenden Ressourcen auch wirklich in jene Bereiche investiert werden, die mehr Produktivität schaffen. „Das heißt vor allem Bildung und Lernen, und das lebenslang“, sagt Fürnkranz-Prskawetz.

Höheres Pensionsantrittsalter

Außerdem muss das Pensionsantrittsalter an die ältere Bevölkerungsstruktur angepasst werden: „An einer Anhebung des Antrittsalters führt kein Weg vorbei.“ Denn pro Jahrzehnt werden die Menschen um zwei bis drei Jahre älter. „Die Anhebung des Pensionsantrittsalters muss aufgrund der steigenden Produktivität aber gar nicht in dieser Höhe ausfallen“, sagt Fürnkranz-Prskawetz. Die Ergebnisse der Studie würden jedoch auch nicht bedeuten, dass die öffentliche Debatte über mehr Migration nicht mehr notwendig sei.

Dass ältere Arbeitnehmer in den Arbeitsprozess stärker integriert werden sollten, ist für Fürnkranz-Prskawetz eine wirtschaftliche Notwendigkeit. „Es ist eine Mär, dass sie weniger produktiv sind.“ So wurden im Rahmen der Studie auch verschiedene Unternehmen nach der Altersstruktur ihrer Arbeitnehmer und der Produktivität der Firma untersucht. Laut den Ergebnissen führt eine jüngere Altersstruktur der Mitarbeiter dabei nicht immer zu einer höheren Produktivität des Unternehmens. „Die Organisationsstruktur ist oft wesentlich entscheidender als die Produktivität des einzelnen Mitarbeiters“, so Fürnkranz-Prskawetz.

Flachere Lohnkurve

Eine Zunahme an älteren Arbeitnehmern am Arbeitsmarkt dürfte auch einen weiteren, von Wirtschaftsforschern oft gewünschten Effekt haben: ein Abflachen der Lohnkurve. Da Junge und Alte nicht beliebig austauschbar seien, führt ein stärkeres Angebot von älteren bei einem geringeren Angebot von jüngeren Arbeitnehmern zu einer Angleichung der Löhne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2010)

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