Loch in den Länderkassen geht dramatisch auf

Loch Laenderkassen geht dramatisch
Loch Laenderkassen geht dramatisch(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Herbe Kritik: Länder- und Gemeindedefizite explodieren, der Bund hat keine „Perspektive“ für eine Rückführung der Staatsschulden – und Österreich bewegt sich auf einen Steuerquoten-Europarekord zu.

Wien/Ju. Die österreichischen Bundesländer sind im Vorjahr in ein tiefes Schuldenloch gestürzt. Noch 2008 hatten sie (einschließlich Wien) nach Maastricht-Kriterien 357 Mio. Euro Budgetüberschuss erwirtschaftet – und damit zur Verkleinerung des „Maastricht-Defizits“ der Republik beigetragen. Ein Jahr später klaffte ein Zwei-Milliarden-Loch in den Länderkassen, geht aus dem am gestrigen Donnerstag präsentierten jüngsten Bericht des Staatsschuldenausschusses hervor.

Dazu kommt, dass der „Maastricht-Saldo“ der Gemeinden (ohne Wien) im selben Zeitraum von plus 56 Mio. auf minus 486 Mio. Euro kippte. In absoluten Zahlen ist freilich immer noch das Bundesdefizit am stärksten angestiegen: von 1,9 auf 7,3 Mrd. Euro.

„Defizit-Kaiser“ sitzt in Graz

Die „Landes-Schuldenkaiser“ saßen 2009 (in dieser Reihenfolge) in Graz, St.Pölten und Linz. In der Steiermark explodierte das Maastricht-Defizit von 2008 auf 2009 von sechs auf 670 Mio. Euro, hat sich also mehr als verhundertfacht.

Niederösterreich (das hinter Kärnten und weit vor den anderen Bundesländern die zweithöchste Pro-Kopf-Verschuldung der Republik aufweist), „gelang“ es, ein Maastricht-Defizit von 233 auf 565 Mio. Euro mehr als zu verdoppeln. Und Oberösterreich stürzte von 31 Mio. Euro Überschuss auf 351 Mio. Euro Fehlbetrag ab. Überschüsse weisen nur noch Salzburg, Tirol und das Burgenland auf.

Kein Wunder, dass der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, IHS-Chef Bernhard Felderer, massiv darauf drängt, dass die Beiträge der Länder und Gemeinden zur Sanierung der Staatsfinanzen möglichst schnell „vereinbart und konkretisiert“ werden.

Die Konsolidierung der Staatsfinanzen geht dem Staatsschuldenausschuss im Übrigen zu wenig ambitioniert voran: Zwar liegt Österreich mit einem Staatsdefizit von heuer 4,3Prozent des BIPs (für 2011 sind 3,6Prozent eingeplant) innerhalb der EU recht gut, die öffentliche Verschuldung von 70,4 Prozent heuer und 72Prozent im kommenden Jahr ist aber bestenfalls unteres Mittelmaß. Dabei sind hier die ausgegliederten Schulden gar nicht eingerechnet. Sie machen noch einmal über zehn Prozent des BIPs aus.

Durch die jüngsten Regierungsmaßnahmen ist die Schuldendynamik laut Felderer zwar „eingebremst“ worden, bis 2014 wird die Quote aber trotzdem noch leicht auf 72,5Prozent steigen. Und für die Zeit danach „fehlt die Perspektive“, wie Felderer bekrittelt.

Um die Staatsverschuldung in einem vernünftigen Zeitrahmen auf die angepeilten 60Prozent des BIPs herunterzubringen, müsste ein annähernd ausgeglichenes Budget über den Konjunkturzyklus erreicht werden. Jedenfalls müsse das Defizit ab 2015 bei höchstens einem Prozent des BIPs liegen. Die Regierung geht derzeit für 2014 noch von 2,2Prozent Defizit aus.

Bei einem Prozent Defizit im Schnitt würde es bei einem angenommenen Wirtschaftswachstum von nominell drei Prozent pro Jahr bis 2028 dauern, bis die Staatsschuldenquote wieder unter der Maastricht-Grenze von 60Prozent des BIPs zu liegen käme. Bei zwei Prozent Defizit wäre Österreich erst 2038 wieder innerhalb der Maastricht-Kriterien für den Euro.

Europameister in hohen Steuern

Als drückend empfindet der Staatsschuldenausschuss die Steuerlast. Laut Felderer ist Österreich auf dem besten Weg, „Steuer-Europameister“ zu werden: Mit 44,1 Prozent des BIPs wird die österreichische Steuer- und Abgabenlast innerhalb der Eurozone heuer nur noch von Belgien übertroffen. In der EU haben auch noch Schweden und Dänemark eine höhere Belastung.

Allerdings: Während die Quote 2011 in den drei derzeit noch „führenden“ Ländern 2011 zurückgehen wird, steigt sie in Österreich auf 44,3Prozent weiter an. In dieser, der EU-Herbstprognose entnommenen Vorschau sind die Auswirkungen des 2011 in Kraft tretenden Belastungspakets noch gar nicht enthalten. Die machen Österreich zu einem ernsthaften Sieganwärter in der europäischen Hochsteuer-Champions-League.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2010)

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