„Gefälschtes“ Rekordjahr für den Autohandel

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Noch nie wurden in Österreich so viele Autos verkauft wie im Vorjahr. Der Statistik sei jedoch nicht zu trauen, sagen Branchenvertreter. Der Markt sei „aufgebläht“.

Wien/Jaz. Es ist das erwartete Rekordjahr geworden: 328.563 Autos wurden 2010 in Österreich neu zugelassen – um 2,9 Prozent mehr als 2009, als die staatlich geförderte Verschrottungsprämie die Folgen der globalen Krise für den heimischen Autohandel abfederte. Und auch um knapp 8500 Stück mehr als im bisherigen Rekordjahr 1992. Dennoch will sich bei den Branchenvertretern anlässlich der Präsentation der Zahlen keine Jubelstimmung einstellen. Der Grund: Sie trauen den Zahlen nicht.

Nicht, dass die Statistik Austria, die für die Zählung der Zulassungszahlen zuständig ist, falsch gerechnet hätte. Aber die Zahlen seien durch Kurzzulassungen verfälscht. So waren etwa 76.500 Autos kürzer als 120 Tage angemeldet. Darunter fallen neben „echten Vorführwagen“ auch jene Autos, die nur zu dem Zweck von Händlern angemeldet werden, sie als junge Gebrauchtwagen billiger verkaufen zu können. Bereinigt man die Statistik um diese Kurzzulassungen, gäbe es sogar ein Minus von 4,4 Prozent gegenüber 2009.

Statistik wird zur „Makulatur“

20.354 Fahrzeuge waren sogar Tageszulassungen – sie wurden also am selben Tag an- und wieder abgemeldet. Dies sei grundsätzlich noch nicht verwerflich, sagt Burkhard Ernst, Obmann des Fahrzeughandels in der Wirtschaftskammer. „Wir schätzen jedoch, dass ein Drittel der 76.500 Kurzzulassungen gar nicht auf Österreichs Straßen kommt, sondern ins Ausland geht“, so Ernst weiter. Die Zulassungsstatistik werde so zur „Makulatur“, der Markt „künstlich aufgebläht“.

Darunter würden jene leiden, die das Instrument der Kurzzulassungen samt Export nicht einsetzten. Denn deren Marktanteile fielen aufgrund des in Summe größer scheinenden Marktes geringer aus.

Der Zorn der Branche trifft daher jene Mitglieder, die Kurzzulassungen besonders exzessiv als Marketinginstrument einsetzen – vor allem Hyundai. Die Koreaner meldeten im Vorjahr 5464 Autos selbst für einen Tag an – was jedem dritten in Österreich neu zugelassenen Hyundai entspricht. Damit liegt Hyundai vor Fiat (20,4 Prozent) und Ford (15,1 Prozent). Dass diese Autos danach vollständig an heimische Konsumenten verkauft worden sind, bezweifelt Ernst. „Es ist eigenartig, dass Hyundai nun plötzlich Platz acht in der Zulassungsstatistik hat.“

Viele der Autos könnten gar nie in Österreich gewesen sein, vermutet der Branchenobmann. Sie würden indes sogar in mehreren Ländern als Neufahrzeuge angemeldet. „Das Auto wird einmal produziert, aber dreimal als Neuwagen zugelassen.“ Dadurch würden einzelne Konzerne ihre europäischen und globalen Verkaufsstatistiken aufbessern wollen, so Ernst. Beweisen könne er diese Praktiken nicht, er habe jedoch genügend Branchenerfahrung und entsprechende Hinweise, sagt der Spartenobmann.

Bei Hyundai weist man die Vorwürfe des Branchenobmanns schärfstens zurück. „Das kann ich für uns zu 100 Prozent ausschließen“, sagt Thomas A. Schmid, Marketingchef von Hyundai Österreich. Seiner Meinung nach gehen auch deutlich weniger der hierzulande kurz zugelassenen Fahrzeuge ins Ausland, als von Ernst geschätzt. Dass viele in Österreich verkaufte Hyundai inzwischen in anderen Ländern auf den Straßen seien, erkläre sich durch die starke Präsenz bei Mietwagenfirmen. Diese würden ihre Autos nach wenigen Monaten austauschen und dann europaweit weiterverkaufen.

Reiner Verdrängungswettbewerb

Dass der Appell von Ernst an die Branche – die Zahl der Kurzzulassungen heuer zu verringern – erhört wird, hält Schmid für unrealistisch. „Der ganze Markt basiert auf Verdrängung. Und da ist der Preis nun mal ein entscheidendes Kriterium.“ Und während auf „normale“ Neufahrzeuge maximal sechs bis neun Prozent Rabatt möglich sind, können die Nachlässe bei den Tageszulassungen das Doppelte ausmachen.

Möglich wird dies, weil bei diesen Fahrzeugen keine Zuschläge für Werbung kalkuliert werden. „Die ist ja auch nicht notwendig“, so Schmid. Für die Händler bleibt unter dem Strich somit oft trotzdem mehr übrig als im klassischen Neuwagengeschäft. Dort ist der Verkauf von Autos meist ein Nullsummenspiel. Die Gewinne werden dann erst bei Services und Reparaturen gemacht.

Automarkt 2010

328.563 Autos wurden im Vorjahr neu zugelassen. 76.500 davon kürzer als 120 Tage. Marktführer war VW mit 16,8 Prozent vor Opel (acht) und Renault (6,6). Den stärksten Zuwachs unter den Top Ten hatte Hyundai mit plus 29,6 Prozent. Der CO2-Ausstoß der neuen Autos ging im Schnitt deutlich zurück: von 153 auf 145 Gramm je 100 Kilometer bei Diesel- und von 148 auf 143 Gramm bei Benzinmotoren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2011)

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