Das Schuldenmachen abgesegnet

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Österreichs Wirtschaftsforscher fordern offiziell stets ein über den Konjunkturzyklus ausgeglichenes Budget. Doch ihre eigenen Vorgaben führen diesen Plan ad absurdum.

Wien. Bernhard Felderer ist als Mann der klaren Worte bekannt. Kaum jemand in Österreich kritisiert die rasant steigende Staatsschuld so deutlich wie der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS). Auf den ersten Blick tat Felderer das auch am Donnerstag im Wiener Klub der Wirtschaftspublizisten: „Die Zeit der steigenden Staatsschuld muss vorbei sein“, erklärte der Wirtschaftsforscher.

Angesichts einer Verschuldung von 72,3 Prozent der Wirtschaftsleistung – viele ausgelagerte Schulden sind darin noch nicht eingerechnet – und einer Neuverschuldung von 4,6 Prozent für das Jahr 2010 gilt das durchaus als Gebot der Stunde. Umso interessanter ist folgendes Ziel, das Felderer ebenfalls am Donnerstag vorgab: „Österreich muss versuchen, das Defizit auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken.“

Abrücken von bisherigen Ideen

Wie die Staatsschuld sinken soll, wenn der jährliche Haushalt auch in Zukunft Defizite ausweisen wird? Ganz einfach: Relativ verkleinert sich die Staatsschuld als Anteil an der Wirtschaftsleistung, solange die Konjunktur schneller wächst als der Schuldenberg. Was selbstverständlich nichts daran ändert, dass die absolute Schuldenlast von Jahr zu Jahr größer wird.

Jedenfalls rückt nun auch Felderer von einer noch im Dezember formulierten Vorgabe ab. Die Bundesregierung dürfe das mittelfristige Ziel, über einen Konjunkturzyklus ausgeglichen zu budgetieren, „nicht aus dem Auge verlieren“, verkündete Felderer als Präsident des Staatsschuldenausschusses damals. Ein Konjunkturzyklus dauert je nach Definition entweder fünf Jahre oder von einer Rezession bis zur nächsten. Egal, wie man diesen Zeitraum auch definieren mag: Von einem „ausgeglichenen Konjunkturzyklus“ kann bei einer steten Neuverschuldung freilich keine Rede sein.

Wer hofft, dass andere Wirtschaftsforscher einen ausgeglichenen Konjunkturzyklus auch als solchen verstehen, den enttäuscht Karl Aiginger. 2013 soll die Neuverschuldung auf unter drei Prozent des BIPs fallen. „Und danach pro Jahr um einen halben Prozentpunkt“, erklärt der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo).

Finanziert von der Politik

Die Hoffnung, dass Österreich erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik über einen Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichen budgetieren wird, tendiert somit gegen null. Es sei denn, der Zeitraum wird neu definiert und die mit dem Ende der Rezession im Vorjahr begonnene Periode dauert zumindest 14 Jahre – nur dann könnte sich das Ganze noch ordnungsgemäß ausgehen. Vorausgesetzt, das Budget verbessert sich pro Jahr wirklich um einen halben Prozentpunkt, wie von Aiginger gefordert.

Nun könnte man freilich überrascht sein, dass ausgerechnet die beiden wichtigsten Wirtschaftsforscher des Landes nicht härter mit der österreichischen Schuldenpolitik ins Gericht gehen. Das Staunen findet mit einem Blick in die Finanzstruktur von IHS und Wifo ein Ende: Größter Kapitalgeber ist, richtig geraten, die Republik. Offiziell sind freilich beide Institute unabhängig. Doch wer sägt schon gern an seinem eigenen Stuhl?

Bleibt noch die Frage, wie Österreich selbst die vorsichtig definierten Ziele der Wirtschaftsforscher erreichen will: Das IHS präsentierte dazu am Donnerstag eine Studie, in der darauf hingewiesen wird, dass die Länder nur zwei Prozent ihres Budgets selbst in Form von Steuern einnehmen. Der Rest sind Transferzahlungen. „Das Geld anderer gibt man leichter aus als sein eigenes“, sagt Felderer.

Gelöst werden könnte dieses Problem, indem Kompetenzen der Länder an den Bund abgegeben werden. „Das halte ich für politisch aber schwer durchsetzbar“, erklärt Felderer resignierend, ehe er erneut vom Ziel eines ausgeglichenen Budgetzyklus spricht.

Auf einen Blick

IHS-Chef Bernhard Felderer fordert die Regierung auf, das Budgetdefizit auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung zu reduzieren. Damit rückt der Ökonom indirekt vom Ziel eines „ausgeglichenen Konjunkturzyklus“ ab. Wifo-Chef Karl Aiginger wiederum will die Staatsschuld pro Jahr um „einen halben Prozentpunkt“ reduzieren. Derzeit liegt das Minus bei 4,6 Prozent der Wirtschaftsleistung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2011)

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